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Kerstin Eisenreich zu TOP 5: Aktuelle Debatte: Atomkraftlaufzeiten verlängern

Sehr geehrte Damen und Herren,

Und ewig grüßt das Murmeltier möchte ich angesichts der ich weiß schon nicht mehr wievielten Debatte hier im Landtag um die Atomkraft und die Verlängerung der Laufzeiten der deutschen Atomkraftwerke voranstellen. Dabei sind doch alle Argumente ausgetauscht und die Absurdität dieser Forderung längst erwiesen. Aber nun ja, manch einem fällt es schwer, Fakten zu akzeptieren.

Nach den drei vorherigen flammenden Plädoyers für die Atomkraft sollten wir einfach mal den Tatsachen wieder ins Auge schauen.

Die FDP trägt ja bei der Energiewende immer wieder das Mantra der Technologieoffenheit vor sich her. Nur sie selbst erfüllt ihre eigene Forderung nicht. Denn immer wieder stellen Sie Behauptungen in den Raum: Erneuerbare Energien wären nicht grundlastfähig, Atomkraft ist CO2-neutral und daher nachhaltig. Außerdem sei Atomkraft billig. Ich glaub, da muss mal eine ganze Menge geradegerückt werden. Ich empfehle Ihnen daher dringend die Lektüre der jüngsten Publikation des Bundesamtes für Sicherheit der nuklearen Entsorgung oder kurz BASE.

Technologien an sich sind ja weder gut noch schlecht und die Menschheit hat eine ganze Menge hervorgebracht, allerdings nicht immer oder ausschließlich zum Nutzen der Menschheit. Die Frage, die entscheidend ist: Wie geht man gesellschaftlich damit um? In dieser Publikation wird ein aus meiner Sicht anschauliches Bild verwendet, das ich hier einflechten möchte: Startet man mit einer Technologie, ohne zu wissen, ob und wo man landen kann? Oder werden vor dem Start die Route geplant, wird genau abgewogen und sichergestellt, dass am Ziel auch eine Landebahn vorhanden ist? Es geht also darum, systematisch und ehrlich Risiken und Lösungen von Problemen einer Technologie vorherzusehen und abzuwägen. Im Falle der Atomkraft ist das nicht geschehen, denn auch nach 70 Jahren des Einsatzes ist die Entsorgungsfrage vor allem des hochradioaktiven Atommülls immer noch nicht gelöst. Wir bürden damit vielen nachfolgenden Generationen Abfälle auf, obwohl nur wenige Genrationen Nutzen aus dem Atomstrom gezogen haben. Das ist einfach unverantwortlich und es verstößt im Übrigen auch gegen das Grundgesetz, das fordert, dass mit den Ressourcen und der Umwelt so umzugehen ist, dass die Lebensgrundlagen für die nachfolgenden Generationen erhalten bleiben.

Dazu lässt sich neben der Entsorgungsproblematik nachwiesen, welche Schäden die risikobehaftete Technologie für Menschen und Umwelt hervorruft. Neben den allseits bekannten Reaktorunglücken wie Tschernobyl und Fukushima, haben weitere Atomunfälle für schwere Umweltschäden gesorgt, z.B. der Dammbruch eines Abraumbeckens 1979 in den USA. Die Liste größerer und kleinerer Unfälle ließe sich beliebig fortsetzen.

Aber schon die Förderung von Uran birgt immense Risiken. Mehr als 99 Prozent des Uranerzes muss nach der Aufbereitung als Abraum auf Halde oder Bergbauschlamm in Abraumbecken gelagert werden. Also wegen weniger als 1 Prozent Urangehalt im Erz wird eine riesige radioaktive Kontaminationsquelle und damit ständige Bedrohung für die Umwelt geschaffen. Was die Sanierung solcher Gebiete betrifft, sollten wir doch hier in Mitteldeutschland vor Augen haben: Bis 2020 hat die Sanierung der gesamten Hinterlassenschaften der Wismut in Westsachsen- und Ostthüringen fast 7 Milliarden Euro verschlungen und dieser Prozess ist noch nicht abgeschlossen. Also Nachhaltigkeit sieht definitiv anders aus!

Und da sind wir schon bei der vermeintlichen Nachhaltigkeit von Atomkraft, wie sie nach der EU-Taxonomie vorgenommen wurde. Das ist einfach absurd. Ich kann doch nicht die Nachhaltigkeit allein der Stromerzeugung aus Atomkraft beurteilen, ohne Uranabbau, Baustoffe und Energieeinsatz beim Bau von Kraftwerken und der Herstellung der Brennstäbe, Sicherheit beim Betrieb sowie Endlagerung sowie Auswirkungen auf die Umwelt mit in Betracht zu ziehen. Und wenn eine ganzheitliche Betrachtung vorgenommen wird, sieht auch die vielgerühmte CO2-Bilanz ganz anders aus. Sollte die Kernenergie die CO2-Emissionen von Deutschland spürbar entlasten, bräuchten wir nach Schätzungen des BASE bis zu 150 Kernkraftwerke und das allein bei Bauzeiten von 15 Jahren. Wir müssen aber CO2 jetzt sofort drastisch reduzieren. Allein da wird klar, dass dies keine Option ist.

Dann kommen wir zur Behauptung, dass Atomstrom unabdingbar sei. Nun ja, mit einem Anteil von nur noch rund 10 Prozent deutschland- und weltweit an der Stromproduktion haben wir nicht gerade einen großen Player vor uns. Sieht man sich dann noch an, mit welchen Problemen Kernkraftwerke zum Beispiel im vergangenen Sommer allein wegen des Wassermangels in Frankreich zu kämpfen hatten und auch wegen anderer technischer Mängel fast die Hälfte abgeschaltet werden mussten, erschient doch die Grundlastfähigkeit in einem ganz anderen Licht. Und billig ist der Atomstrom eben auch nicht. Ohne massive Subventionen, also Steuergeld, wäre dies überhaupt nicht möglich und würde sich gar nicht rechnen. Er wäre im Übrigen viermal so teuer wie heutige Windkraftanlagen.

Und die Sicherheitsrisiken bei Kernkraft sind doch immens. Niemand versichert heute noch Atomkraftprojekte. Die Risiken sind einfach zu hoch. Wer bezahlt denn dann dafür? Hinzu kommt, dass mit der zivilen Entwicklung immer auch die militärische Verwendung, also Atombomben, einhergeht. Das ist kaum kontrollierbar und muss endlich beendet werden. Und wenn wir jetzt noch in die Ukraine schauen, wo eines der größten Kernkraftwerke der Welt in Saporishya mitten im Kriegsgebiet liegt und hart umkämpft war und ist, wird doch deutlich, wie wenig die Sicherheit von Kernkraftwerken gewährleistet werden kann. Die Welt hat doch berechtigt Angst vor einem Super-GAU durch die Kriegshandlungen. Und wo kommen denn eigentlich die so verheißungsvollen Brennstäbe her? Einer der größten Exporteure ist doch Russland. Und das wollen Sie ernsthaft in Erwägung ziehen?

Auch die vielgepriesene Transmutation ist eher ein irrer Glaube und mehr Fiktion als Realität. Sie würde auf einen Wiederaufbau der Atomindustrie hinauslaufen und das lehnen wir aus den oben genannten Gründen ab. Und die Kernfusion ist meilenweit von einer technischen Umsetzung entfernt.

Ich finde, dass wir in dieser Legislatur schon viel zu viel Energie dafür verschwendet haben, über Atomkraft zu debattieren, statt diese Energie in den dringenden Ausbau der Erneuerbaren Energien hier im Land zu stecken. Meine Damen und Herren der FDP-Fraktion. Mit dieser aktuellen Debatte haben Sie in die Mottenkiste gegriffen. Verantwortung für die Landesentwicklung, die Menschen, Energieversorgung, Umwelt, Wirtschaft und Klimaschutz sieht anders aus.