Kerstin Eisenreich zu TOP 35: Landesprogramm Corona-Hilfen für Kleinstunternehmen
Sehr geehrte Damen und Herren,
Wir wissen alle, dass in der gegenwärtigen Situation aus Infektionsschutzgründen der Schutz der Menschen im Vordergrund steht. Dieser rechtfertigt gewisse Einschränkungen. Damit einher geht aber, dass diese Einschränkungen Akzeptanz finden. Dazu müssen sie einerseits umfassend begründet sein und andererseits die Menschen vor einer finanziellen Notsituation schützen. Deshalb sind Kurzarbeitergeld für Arbeitnehmer*innen und Wirtschaftshilfen für Unternehmen wohl auch in diesem Haus unstrittig. Aber beim Blick ins Detail, wie beim Kurzarbeitergeld, gehen dann die Meinungen zum Teil weit auseinander.
Deutlich wurde bereits vor dem sogenannten zweiten Lockdown im November, dass die Überbrückungshilfe nicht ausreichend ist. Darüber klagte unter anderem die Veranstaltungsbranche. Denn die Überbrückungshilfe deckt nur einen Teil der anfallenden Betriebskosten ab und dazu ist sie nach oben gedeckelt.
Und dann gab es ein Versprechen für die November- und Dezemberhilfen – ein Versprechen, dass diese schnell, umfassend und unbürokratisch sein sollten. Ich denke, wir alle hier wissen, dass diese Hilfe nicht schnell kam. Schließlich wurde ein Großteil der Hilfen erst jetzt – wir haben Anfang Februar – ausgezahlt. Noch war sie unbürokratisch, unter anderem auch, weil erst noch prüfende Dritte gebraucht wurden.
Allerdings gab es für jene, die erst ab dem 12.12. des letzten Jahres in den Lockdown gehen mussten keine Chance, Dezemberhilfen zu erhalten. Diese hätten ja eine teilweise Kompensation der UMSATZausfälle gewährt. Nein diese Unternehmer*innen hatten – wenn überhaupt – wiederum nur Anspruch auf die Überbrückungshilfe III – also die Erstattung von Betriebskosten, die nicht annähernd alle Kosten deckt.
Nun habe ich ein „Wenn überhaupt“ eingeschoben. Selbst die Überbrückungshilfe III ist nicht für alle vorgesehen. Wieder einmal fällt eine ganze Reihe von Unternehmer*innen durch das Raster. Da ist z.B. die Friseurin in Havelberg oder Weißenfels. Sie haben bis zum 12.12. im Akkord gearbeitet hat, um noch alle Kunden vor dem Lockdown zu bedienen. Dadurch sind sie über die Umsatzausfallgrenze von 30 Prozent gekommen. Die Folge: Sie hatten zwar einen halben Monat Einnahmen, aber für den Rest des Dezembers stehen ihnen überhaupt kein Ausgleich oder finanzielle Hilfen zu.
Ja, man muss sich auf jene konzentrieren, die tatsächlich Hilfe benötigen und ich habe auch Verständnis dafür, dass man Missbrauch vorbeugen muss. Aber die genannten Regelungen gehen doch vollständig an der Realität vieler Unternehmen vorbei. Das betrifft vor allem die Kleinstunternehmen. Und wenn wir uns die Wirtschaftsstruktur in Sachsen-Anhalt anschauen, so ist diese zu einem Großteil von diesen Kleinstunternehmen geprägt.
An dieser Stelle können und werden der Finanzminister und der Wirtschaftsminister wohl auf den Bund verweisen. Wenn aber der Bund es nicht auf die Reihe bekommt, dann müssen wir hier im Land aktiv werden. Daher fordern wir ein Landesprogramm, das die finanziellen Lücken vor allem für Kleinstunternehmen schließen soll. Aus unserer Sicht ist die Erstattung von Fixkosten durch den Bund nicht ausreichend. Rücklagen und private Finanzen der Unternehmer*innen sind längst aufgebraucht. Den lapidaren Hinweis, dass sie ja dann Anspruch auf Grundsicherung hätten, den finden wir mit Verlaub als zynisch.
Zur Absicherung der Unternehmer*innen fordern wir daher einen Grundeinkommen oder angelehnt an den Vorschlag des Wirtschaftsministers einen Unternehmerlohn von 1200 Euro. Auch wenn zu den Kleinstunternehmen jene mit bis zu 10 Mitarbeiterinnen zählen, wollen wir den finanziellen Rahmen nicht zu sehr überspannen. Wir denken, dass vor allem Unternehmen mit bis zu 5 Mitarbeiter*innen eine Unterstützung brauchen, damit sie überleben können.
Mit dem zweiten Punkt unseres Antrages, wollen wir, dass Sie auf der Bundesebene Druck machen, damit Herr Altmaier wieder zur Umsatzausfallerstattung wie bei der Novemberhilfe zurückkehrt. Es ist zwar gut, dass mittlerweile, gerade für den Einzelhandel, die Abschreibung von Wirtschaftsgütern mit 50 Prozent bei den Fixkosten mit angerechnet werden darf, aber für Modeläden, die auf ihrer Ware sitzenbleiben, reicht das eben nicht aus.
Auch für die bereits erwähnte Veranstaltungsbranche, die inzwischen seit fast einem Jahr im Lockdown ist, war die Erstattung von Fixkosten unzureichend und das ist sie jetzt auch nicht. Und da reicht es nicht, mit dem Finger immer wieder auf den Bund zu zeigen. Nein, hier erwarten wir mehr Engagement von der Landesregierung.
Ich wiederhole gerne nochmal, dass es vor allem um Akzeptanz geht und wir Öffnungs-Orgien-Debatten nur verhindern können, wenn wir ausreichende wirtschaftliche und finanzielle Sicherheit für diejenigen schaffen, die ihre Existenz bedroht sehen.
Dass Druck notwendig ist und erfolgreich sein kann zeigt das Beispiel er 7.500 € „Neustarthilfe“ für Soloselbstständige. Auch wenn auch diese nach wie vor nicht ausreichend sind, kommen sie zumindest nah an unsere Forderung von 1.200 € Grundeinkommen heran. Bis es soweit war, wurde lange eine ganze Gruppe von Unternehmer*innen, die meist auch noch prekäre finanzielle Situationen erleben, ignoriert. Wir sind froh, dass da jetzt endlich gehandelt wird. Aber dadurch wird nun auch die Lücke für Kleinstunternehmen deutlich – hier muss nachgebessert werden.
Ich darf noch einmal die Probleme der bisherigen Hilfen zusammenfassen:
Es gibt inzwischen eine hohe Unsicherheit, weil die Antragskriterien teilweise während des Prozesses von der Bundesregierung geändert wurden. Zudem gab und gibt es eine Vielzahl von Hilfen, zum Teil parallel. Die Gründe, warum Hilfen für den einen galten und für andere nicht, wurde nicht ausreichend transparent kommuniziert. So galt für die Unternehmen, die auch schon vor dem Dezember geschlossen hatten, im Dezember dann die Dezemberhilfe mit einen Ausgleich nach dem Umsatz des Vorjahresmonats, z.B. in der Gastronomie. Für Unternehmen, die erst ab dem 12.12. geschlossen hatte, galten diese aber nicht. Sie konnten nur die Überbrückungshilfen beantragen, die einen Ausfall der Fix- bzw. Betriebskosten erstattet, wie Einzelhandel und Modegeschäfte.
Dazu kam die sehr späte Auszahlung, die viele Antragsteller*innen in finanzielle Schwierigkeiten gebracht hat. Auch die zusätzlichen Kosten für prüfende Dritte wie Steuer- oder Wirtschaftsberater kritisieren wir.
Die Betriebskostenerstattung reicht meist nicht aus, um die tatsächlichen Kosten auch nur ansatzweise zu decken, trotz der möglichen Anrechnung von 50 Prozent Abschreibungen auf Wirtschaftsgüter im Einzelhandel, die jedoch wiederum gedeckelt sind.
Das größte Problem für viele Unternehmer*innen bleibt jedoch, dass sie abgesehen von der November- und Dezemberhilfe nur Betriebskostenausfälle erstattet bekommen, der persönliche Lebensunterhalt wird dabei nicht berücksichtigt. Gerade auch bei Kleinstunternehmen, die kaum Rücklagen bilden können, fallen die Betreiber*innen direkt in die Grundsicherung - kein Übergang wie ALG II, sondern sofort Hartz IV mit allen rechtlichen Hürden wegen des Vermögens.
Es besteht dringender Handlungsbedarf. Ich bitte um Zustimmung zu unserem Antrag.