Kerstin Eisenreich zu TO 2: Wassergesetz anpassen – Reaktivierung natürlicher Wasserrückhaltung in der Fläche
Sehr geehrte Damen und Herren,
verdorrte Felder, Menschen, die um jeden Tropfen Wasser ringen einerseits und plötzliche Sturzfluten, die alles, was ihnen im Wege stehen mitreißen andererseits, waren Szenarien und Bilder, die die Menschen in Mitteleuropa und auch in Deutschland mit Afrika, bestenfalls noch mit Regionen in Südeuropa verbanden. Doch seit mehreren Jahren sehen auch wir uns in der Bundesrepublik und insbesondere auch in Mitteldeutschland mit diesen Szenarien konfrontiert. Und noch nach den schweren Hochwasserereignissen in den Jahren bis 2013 wurde alles versucht, Wasser möglichst schnell abzuleiten – Flächen also trockenzulegen. Ich erinnere nur an den Vernässungsfonds.
Doch inzwischen haben sich die die Niederschlags- und Temperaturverhältnisse in Sachsen-Anhalt durch den Klimawandel drastisch verändert: Dürre und niederschlagsarme Phasen wechseln sich mit extremen Niederschlägen ab. Der trockene Boden kann das dringend benötigte Wasser nicht aufnehmen. Sturzfluten spülen alles weg und das Wasser läuft ab. Hinzu kommen immer mehr Versiegelungen, das sind Gewerbegebiete mit Großhallen, Verkehrs- und Siedlungsbauten, wodurch in Deutschland pro Tag 52 ha Landschaftsfläche zubetoniert werden. Diese Flächen können kein Wasser mehr aufnehmen. Und bisher sind alle Bestrebungen darauf ausgelegt, das anfallende Wasser möglichst schnell aus der Fläche abzuleiten. Was für ein Irrsinn!
Wir sehen uns in Sachsen-Anhalt nunmehr damit konfrontiert, dass die wertvolle Ressource Wasser knapp wird. Grundwasserspiegel sinken, Oberflächengewässer haben Niedrigstände, teilweise kommt es zu Austrocknungen. Willkommen im mitteldeutschen Trockengebiet.
Die Folge: Die Konkurrenz um Wasser steigt. Dazu gehören die Trinkwasserversorgung der Bevölkerung, Ernährungssicherstellung in der Landwirtschaft und schließlich die Industrie als einer der größten Verbraucher von Wasser. In diesem Kontext sollte dringend darüber nachgedacht werden, ob die Wasserstoffstrategie des Landes in ihrer bisherigen Form sinnvoll ist. Bei der Vorstellung dieser im Ausschuss für Wissenschaft, Energie, Klimaschutz und Umwelt wurde erwähnt, dass zur Herstellung von einem Kilo Wasserstoff neun Kilo Wasser benötigt würden.
Verehrte Abgeordnete von Bündnis 90/Grüne, vor dem Hintergrund dieser kurz umrissenen Fakten ist es mehr als fraglich, ob die im Antrag angemahnte Änderung des § 52 des Wassergesetzes von Sachsen-Anhalt tatsächlich Wirkung in der gewünschten Form entfalten kann. Auch die Modernisierung des Wassergesetzes insgesamt, die im Antrag gefordert wird, ist zwar dem Grunde nach richtig, aber wir müssen doch als Land erst wissen, wohin die Reise gehen soll. Im Übrigen stellt sich meiner Fraktion aber die Frage, warum die bis zum Sommer vergangenen Jahres im Amt befindliche grüne Umweltministerin diese Änderungen nicht schon längst in Angriff genommen hat?
Allerdings wird eine Änderung des Wassergesetzes allein, die im System angelegten Probleme nicht ändern können. Hier ist es aus unserer Sicht notwendig, im Zuge der Klimaanpassungsmaßnahmen eine Wasserstrategie des Landes zu entwickeln. Im Bund wurde von der ehemaligen Umweltministerin Svenja Schulze 2021 ein Entwurf für eine nationale Wasserstrategie vorgelegt und auch Sachsen hat 2020 verkündet, eine neue Wasserstrategie zu entwickeln. Ziel muss es doch sein, den wichtigsten Wasserspeicher Boden zu ertüchtigen, seine Funktion zu erfüllen. Wasser muss in der Fläche gehalten werden, überall. Gewässerunterhaltung wie im Paragraphen 52 des Wassergesetzes beschrieben, ist da ein kleiner Baustein. Wasser in der Fläche zu halten, heißt aber auch, dies innerhalb von Städten und Gemeinden zu tun, statt noch mehr Flächen zu versiegeln, muss mehr entsiegelt werden – das heißt: Boden öffnen, Grünflächen anlegen, sogenannte Schwammstädte entwickeln. Das heißt auch, zum Beispiel in der Landwirtschaft intelligente Drainierungen zu nutzen, die Wasserüberschüsse in Speicher und Puffer ableiten, aber bei Trockenheit vorhandenes Wasser halten. Und wir sollten unbedingt die Erfahrungen trockener Länder beim Wassermanagement nutzen, u.a. auch bei der Bewässerung landwirtschaftlicher Kulturen, damit wir unsere wertvollen Böden nicht versalzen. Und es geht ganz klar nicht nur um die Menge der Ressource Wasser sondern auch seine Qualität. Da erwähne ich nur die Umsetzung der Europäischen Wasserrahmenrichtlinie. Auch da ist in Sachsen-Anhalt noch längst nicht alles auf dem richtigen Weg.
Der Antrag ist insofern nicht falsch, aber greift viel zu kurz. Ich schließe mit der Abwandlung eines Zitats von Arthur Schopenhauer: Wasser ist nicht alles, aber ohne Wasser ist alles nichts.