Diese Website verwendet Cookies. Warum wir Cookies einsetzen und wie Sie diese deaktivieren können, erfahren Sie unter Datenschutz.
Zum Hauptinhalt springen

Kersten Eisenreich zu TOP 2: Regierungserklärung der Ministerin für Umwelt, Landwirtschaft und Energie Frau Prof. Dr. Dalbert: "Für die Wälder der Zukunft: Was wir tun müssen."

Sehr geehrte Damen und Herren,

 

Der Wald hat uns in dieser Legislatur hier im Hohen Hause sehr oft beschäftigt. Mit der extremen Situation von zahlreichen Stürmen, Wassermangel und Schädlingsbefall aber auch Waldbrände haben wir uns hier auseinandergesetzt. Das, was insbesondere in den vergangenen 3 bis 4 Jahren nun auch für den Laien auf dramatische Weise sichtbar wurde, fasst der Waldzustandsbericht für 2020 in nüchternen Zahlen zusammen. Die Waldschäden sind immens: 25.000 Hektar und damit 5 Prozent der Waldflächen in Sachsen-Anhalt sind kahl. 25 Prozent der Baumkronen sind verlichtet. Sie bilden also in der Vegetationsperiode nicht mehr das gewohnte dichte Blätterdach. Zunehmend sind Laubbäume betroffen. Und aufgrund des Wassermangels in den vergangenen drei Jahren sterben täglich weitere Bäume. 13 Millionen Festmeter Schadholz waren und sind zu bewältigen. Aber auch Waldverluste durch Umnutzung von Flächen sind ein zunehmendes Poblem.

Klar ist, dass der Wald in seinen vielfältigen Funktionen leidet. Den meisten Menschen liegt die Erholungsfunktion wohl am nächsten und für Waldbesitzerinnen und -besitzer ist der Wirtschaftsfaktor Holz wichtig. Aber herauszuheben ist die Bedeutung des Ökosystems Wald. Er speichert CO2 und ist dadurch klimawirksam. Er filtert die Luft und reinigt sie. Er schützt den Boden und speichert Wasser. Gesunder und vielfältiger Wald trägt zur Artenvielfalt bei. Und ausgerechnet dieses Ökosystem leidet gerade ganz besonders unter den Auswirkungen des vom Menschen verursachten Klimawandels. Wir müssen den Wald retten! Und ich bin froh, dass viele Menschen weltweit, vor allem auch junge, verstanden haben, was dies alles für gravierende Folgen für die Zukunft hat, während es immer noch Menschen gibt, die dies ignorieren oder gar leugnen.

Waldschutz, Wiederaufforstung und vor allem der Waldumbau sind damit die vordringlichsten Aufgaben, im Übrigen nicht nur der Waldbesitzerinnen und -besitzer sondern der gesamten Gesellschaft. Und dies wird über viele Jahre und auch Legislaturgrenzen hinweg so bleiben. Wenn wir unsere Wälder retten wollen, müssen wir dafür sorgen, dass sie an die veränderten klimatischen Bedingungen angepasst sind. Das bedeutet vor allem, dass die in der Vergangenheit aus Gründen der Wirtschaftlichkeit angepflanzten Monokulturen standortgerechten Mischwäldern weichen. Sie kommen mit dem Klimastress besser zurecht. Und das muss zügig vorangehen. Aber auch die neugepflanzten oder ausgesäten Bäume leiden vor allem unter dem Wassermangel der vergangenen Jahre.

Bei der Umsetzung der Waldstrategie ist damit eine enge Zusammenarbeit zwischen Wissenschaft und Praxis unerlässlich, die dafür sorgen soll, dass durch die richtige Baumauswahl gesunde und klimastabile Wälder heranwachsen können. Dieser Prozess wird sicher von Dauer sein, da sich immer wieder Veränderungen ergeben und der Wald neuen natürlichen Anforderungen gerecht werden muss und die strategischen Zielstellungen von Klimaschutz und Artenvielfalt erfüllt.

Die von der Ministerin genannten Förderprogramme sind umfangreich und wichtig. Sie versuchen die unterschiedlichsten Bedarfe abzudecken. Das wurde mit Zahlen unterlegt und mag alles gut und richtig sein. Aber ob diese große Vielfalt für die Antragstellerinnen und Antragsteller einfach zu handhaben ist, sollte durchaus überprüft werden. Im Zusammenhang mit der Richtlinie zur Förderung naturnaher Waldbewirtschaftung haben Praktiker zum Teil Zweifel an der Sinnhaftigkeit der Vorgaben für die Anzahl von Standardpflanzen je Hektar geäußert. Ein zu dichtes Pflanzen bringt nicht immer den gewünschten Erfolg, zumal gerade in der gegenwärtigen Situation die Jungbäume sehr stark um das Wasser- und Nahrungsangebot konkurrieren müssen. Hier zeigt sich, dass Richtlinie immer wieder an ihre Grenzen kommen, weil der abgebildete Durchschnitt in der Praxis nicht so oft vorkommt. Darüber hinaus werden möglicherweise Fördermittel verschwendet, wenn nur derjenige die Förderung bekommt, der diese Anzahl je Hektar auch erfüllt.

Unbestritten ist, dass der klimastabile und zukunftsfähiger Wald Geld braucht – auf lange Sicht. Und Ihren Appell, Frau Ministerin Dalbert, habe ich sehr wohl vernommen und er findet unsere Unterstützung. Doch er braucht auch Menschen, die dies umsetzen. Ja, wir brauchen weiterhin ausreichend Personal zur Bewältigung der Aufgaben. Gerade die stark zugespitzte Situation der letzten Jahre hat aber auch viele Beschäftigte überlastet und an den Rand ihrer Kräfte gebracht. Dauererkrankungen oder auch der Weggang von Beschäftigten sind ein Problem. Ich bin sehr hellhörig geworden bei dem Satz der Ministerin, die Reviere im Landesforstbetrieb verkleinern zu wollen. Ich denke, auch dies ist ein Schritt in die richtige Richtung. Wir werden wahrscheinlich nicht umhinkommen, langfristig Personal aufzustocken. Da gilt es, vor allem jungen Menschen, insbesondere auch den Absolventinnen und Absolventen der landeseigenen Forstschule eine Perspektive zu geben.

Auch die Funktion als Holzlieferant und damit wichtiger Wirtschaftsfaktor Wald wird bleiben und ist notwendig. Sicher werden sich Holzarten ändern und auch die Bewirtschaftung an die neuen Bedingungen anpassen müssen. Die Nutzung von Holz insbesondere im Bau muss wieder verstärkt in den Blick genommen werden. Sehr oft wird dabei von Ein- und Mehrfamilienhäusern gesprochen. Wir sollen aber durchaus auch Gewerbebauten in Betracht ziehen. Abgesehen davon sollte auch wieder mehr zu früher gängigen Holzbauteilen wie Türen und Fenstern zurückgeehrt werden. Durch diese Ersetzung werden zugleich andere Rohstoffe und deren energieaufwändige Herstellung ersetzt. Das führt zu erheblichen Substitutionseffekten. Das kann man auch in Zahlen ausdrücken: 1 Tonne Kohlenstoff in Holz vermeidet 1,2 Tonnen Kohlenstoff in anderen Produkten. Da lohnt es sich doch, Veränderungen anzustreben.

Auch im Bereich der Holznutzung können wir auf innovative Unternehmen schauen. So ist mit der Ansiedlung des finnischen Unternehmens UPM zur stofflichen Nutzung von Holz im Mitteldeutschen Revier und der Rahmenvereinbarung zur Lieferung von Nutzholz mit dem Landesforstbetrieb ein wichtiger Schritt gelungen, der noch dazu im Strukturwandel wichtige Impulse gibt. Erfreulich ist, dass das Ministerium das vorhandene Potenzial in den Holzclustern erkannt hat und diese mit dem Landkreis Mansfeld-Südharz im Innovationshub „Zukunft Holz und Klima“ zusammenführen will. Auch dabei ist die Rolle von Forschung und Entwicklung entscheidend. Deshalb bitte ich Sie, Frau Ministerin, Ihrem Kollegen im Wirtschaftsministerium mal Beine zu machen und die geplante Professorenstelle schnellst möglich zu genehmigen. Oder können wir es uns als Land leisten, fähige Leute weiterziehen zu lassen, weil wir nicht aus dem Knick kommen?

Ich denke, dass aber auch eine breite Öffentlichkeitsarbeit die Menschen für den Erhalt des Waldes sensibilisieren muss. Dass dies möglich ist, haben zahlreiche Baumpflanzaktionen im vergangenen Herbst bewiesen, an denen viele Menschen aus den Regionen und ich selbst teilgenommen haben. Diese Aktionen lassen die Menschen hautnah mit der Arbeit im Forst in Berührung kommen, wodurch sie diese wertschätzen. Zugleich erfahren sie eine ganze Menge über den Wald, was ihren Blick auf unsere Wälder verändern wird. Und sie sind stolz auf „ihren Baum“, den sie gepflanzt haben. Das gibt eine starke emotionale Bindung. An dieser Stelle möchte ich deshalb auch die Jugendwaldheime des Landes als Bildungsorte erwähnen. Wir brauchen sie auch weiterhin. Sie müssen Bestand haben.

Riesige Aufgaben stehen im Wald vor uns und künftigen Generationen. Klimastabile und angepasste Wälder mit einem gesunden Ökosystem sind das Ziel. Wenn man allerdings bedenkt, dass 30 Prozent des Waldes in Deutschland nur 14 Prozent des durch Deutschland verursachten CO2-Austosses kompensieren, wird deutlich: Klimaschutz muss an Quellen und Ursachen ran – die drastische Reduzierung der Treibhausgasemissionen hin zur Netto-Null-Emission. Daran führt kein Weg vorbei und das brauchen auch unsere Wälder und das sind wir unseren Kindern und Enkeln schuldig.