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Katja Bahlmann zu TOP 18: Rentenungerechtigkeit für in der DDR geschiedene Frauen

Meine Damen, aber ganz besonders werte Herren Abgeordnete.....

den Einstieg in meine Ausführungen möchte ich mit einer Frage beginnen - Wie ist es möglich, dass man so viele Menschen - wie zum Beispiel in der Finanzmetropole Frankfurt am Main leben - einfach vergessen kann?

Knapp 800.000 Frauen waren es, die beim Aushandeln des Einigungsvertrages zwischen DDR und BRD mal schlicht weg vergessen wurden. Ein Schelm, wer Böses dabei denkt! 800.000 in der DDR geschiedene Frauen, für die es bis heute keinen Versorgungsausgleich nach dem seit 1977 gültigen Recht der damaligen BRD gibt. Durch das Rentenüberleitungsgesetz von 1992 ist für diese in der DDR unübliche Regelung keine Anpassung vorgenommen worden. Gleichzeitig wurden frühere Anwartschaften aus der DDR-Rente abgeschmolzen und teilweise sogar gestrichen. Damit sind die im Beitrittsgebiet vor dem 1. Januar 1992 geschiedenen Frauen hinsichtlich ihrer Versorgungssituation wesentlich schlechter gestellt, als Frauen in den alten Bundesländern - ist dies nicht ungerecht, meine Herren Abgeordneten?

30 Jahre nach der Wiedervereinigung leben von den 800.000 Frauen gerade mal noch 300.000, die dieses Unrecht noch heute jeden Tag zu spüren bekommen. Sie spüren es immer dann, wenn sie mit ihrer knappen Rente überleben müssen. Wenn sie sich zig mal überlegen müssen, ob sie ein Weihnachtsgeschenk für die Kinder, Enkel und Ur-Enkel kaufen können ohne in den Tagen nach Weihnachten darüber zu grübeln, was es zu essen gibt, oder ob man sich denn in diesem Monat überhaupt noch den Strom oder die Heizung leisten kann. Aus Scham lehnen Sie Einladungen zu Geburtstagen ab, da ein Geschenk als Zusatzausgabe einfach finanziell nicht drin ist.

Viele der betroffenen Frauen sind in den Wirren des Krieges oder in den Jahren nach dem 2. Weltkrieg geboren und lebten schon damals in krasser Armut. Heute sind sie wieder von Armut betroffen - aber nur deshalb, weil sie sich in ihrem Leben selbstbewusst dafür entschieden haben mit dem Partner, zu dem einst Liebe bestand, keine Zukunft mehr finden zu können. Sich dafür entschieden haben, die Kinder allein groß zu ziehen und für eine gute Schulausbildung zu sorgen und dafür an sich selbst zu sparen, so dass es den ehemals Kleinen heute möglich ist einen nicht unerheblichen Beitrag für unsere Gesellschaft und unsere Solidargemeinschaft zu leisten - und mehr als 800.000 gut ausgebildete Menschen schaffen erheblichen Mehrwert für die Gesellschaft!

Zu dieser Zeit, als die lebensprägende Entscheidung der Frauen getroffen worden ist, war das Einkommen der Frauen nicht üppig und oftmals wesentlich geringer als das der Männer, aber es hat gereicht sich im Leben einzurichten. Allerdings war es in der DDR für viele Frauen auch üblich, die eigene Erwerbstätigkeit zugunsten der Erziehung der Kinder zu unterbrechen oder einzuschränken, zumal die Kinderbetreuung erst in den späten 1970er Jahren flächendeckend möglich wurde und genau diese Dinge sind es, die bei ausbleibendem Versorgungsausgleich die Frauen schlechter stellen lässt, als die Frauen in Deutschland, die einen Versorgungsausgleich für Ehezeiten in der Rente erhalten. Mit der vollen Härte trifft diese Frauen noch heute ein Satz. Ein Satz ob fahrlässig oder bewusst in einem Vertrag notiert. Ein Satz der spaltet und für Ungerechtigkeit sorgt, fast 30 Jahre lang - bis zum heutigen Tag - nämlich: „Einen Versorgungsausgleich für vor 1992 in den neuen Bundesländern geschiedene Frauen gibt es nicht.“

Ich persönlich ziehe den Hut vor dem Mut der Frauen, sich zusammenzuschließen und vehement auf diese Ungerechtigkeit aufmerksam machen. Und sie kämpfen bis zum heutigen Tag, ohne, dass sich wirklich etwas an ihrer Situation geändert hat. Ich bewundere den Mut, den die Frauen aufgebrachten, sich bis an die Vereinten Nationen zu wenden und ich achte die Entscheidung des Menschenrechtsausschusses über die Beseitigung jeder Form der Diskriminierung der Frau, welcher am 9. März 2017 – am Tag nach dem Internationalen Frauentag - bestätigte, dass die Bundesregierung nach der verbindlich erforderlichen Umsetzung des UN-Frauenrechtsabkommens ihnen endlich ihre Rechte zugestehen muss. Aber wo sind sie geblieben, die Rechte? Bisher ist dazu auf Bundesebene nicht viel passiert. Die Linke hat im Bund diese Frauen immer unterstützt. Und seit Anfang dieses Jahres hat dies auch die CDU in Thüringen getan, nämlich mit dem gleichen Anliegen eines Antrages, wie wir ihn heute in Sachsen-Anhalt stellen und eben genau mit der Forderung eines Entschädigungsfonds, da eine Härtefallregelung bei weitem nicht ausreichend ist. Es geht hier nicht um Almosen, werte Abgeordnete, es geht um die Anerkennung von Lebensleistung, Erziehungsleistung und Entschädigung für erlittenes Unrecht.

Wir fordern die Landesregierung auf, sich auf Bundesebene dafür einzusetzen, das Unrecht an den DDR geschiedenen Frauen zu beenden - so unsere Forderung in Punkt 1-3 und in Punkt 4 fordern wir eine Berichterstattung zur aktuellen Situation der in der DDR geschiedenen Frauen in Sachsen-Anhalt in den Ausschüssen für Arbeit, Soziales und Integration sowie Recht, Verfassung und Gleichstellung. Im letzteren regen wir an dieser Stelle ein Fachgespräch mit dem Verein der DDR-Geschiedenen Frauen an. Hier könnten wir gemeinsam einen qualifizierteren Beschluss erarbeiten.

Mit der Zustimmung zu unserem Antrag und der klaren Willensbekundung für die Beseitigung des Unrechts an den in DDR geschiedenen Frauen würden wir uns den Ländern Brandenburg, Bremen, Thüringen und Sachsen anschließen - denn hier wurde ein sehr klares Bekenntnis bereits abgegeben, was weitreichender ist, als es im Alternativantrag formuliert wurde.

Sie werden sich vielleicht wundern, warum ich heute hauptsächlich die Männer im hohen Haus angesprochen habe - bei knapp 80 % Männeranteil in unserem Landtag - im 100. Jahr des Frauenwahlrechts sind wir da nicht wesentlich weiter als 1918 - und der Zustimmung von jedem einzelnen von Ihnen zu unserem Antrag, würde dieser Erfolg haben und endlich ein kleiner Schritt in die richtige Richtung sein, geltendes Unrecht nach fast 30 Jahren zu beseitigen...

Sie, werte Männer, können heute ein Zeichen setzen für die Frauen! Ich bitte um Zustimmung zu unserem Antrag, wir werden uns bei der Abstimmung zum Alternativantrag enthalten! Sie sind gefragt meine Herren und Damen!