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Henriette Quade zu TOP 22: Aktuelle Debatte Rechtsextremes Preppernetzwerk reicht bis in die AfD-Landtagsfraktion - Vorgänge jetzt aufklären, Demokratie und Gesellschaft schützen!

Sehr geehrte Koleginnen und Kollegen, sehr geehrter Präsident,

die AfD ist der parlamentarische Arm des Rechtsterrorismus. Diese Gewissheit kann und muss man bereits seit längerem haben, wenn man ihr zuhört, wenn man ihr Agieren beobachtet und vor allem wenn man ihre Verbindungen und Netzwerke betrachtet. Sie verbreitet Rassismus, völkisches Denken und Geschichtsrevisionismus, während sie ihre Angriffe auf Demokratinnen und Demokraten als Verteidigung ebenjener Demokratie inszeniert, an deren Beseitigung sie arbeitet. Dass ihre Akteure und auch ehemalige Mitarbeiter dieser Landtagsfraktion direkt mit Vorbereitungen zu einem gewaltsamen Umsturz des demokratischen Rechtsstaats befasst sind und wie weit ihre Vernetzungen reichen, zeigen die – mal wieder antifaschistischen (!) – Recherchen, die jetzt veröffentlicht wurden.

Für die Abgeordneten der AfD dürfte das größte Ärgernis sein, dass einer ihrer ehemaligen Mitarbeiter sie als „dumm und faul“ bezeichnet. Demokratinnen und Demokraten müssen andere Dinge  ernsthaft alarmieren, manche hier im Hause wohl auch endlich wachrütteln und vor allem zum Handeln auffordern – deshalb ist es notwendig und richtig diese Aktuelle Debatte hier und heute zu führen.

Die Veröffentlichungen der taz und von  „Sachsen-Anhalt rechtsaußen“, jenem Rechercheportal dass die AfD auch schon hier versucht hat zu inkriminieren, zeigen, wie aus Burschenschaften stammende Mitarbeiter der AfD, u.a. der Fraktion in Sachsen-Anhalt, paramilitärische Strukturen geschaffen haben, sich bewaffnet haben und gezielt Strukturen von Reservisten und Bundeswehr nutzen. In den Chat-Gruppen dazu wurde die AfD-Fraktion hier im Land angesichts ihrer Stimmung – die „ausgelassen hitleristisch“ genannt wird – gelobt, es wird die Waffenbeschaffung diskutiert und organisiert, man verabredet sich zu Schießtrainings und allem weiteren was für den herbeigesehnten Bürgerkrieg – den sie in den Gruppen „Rassenkrieg“ nennen – gebraucht wird und als nützlich erachtet wird. Genau dieser Aspekt – was bei einem Bürgerkrieg nützlich sein kann – ist der entscheidende Aspekt der jetzt veröffentlichten Recherchen. Denn sie zeigen: Strukturen von Bundeswehr, von Reservisten bis hin zu aktuellen Corona-Krisenstäben werden gezielt genutzt um Ressourcen zu erschließen, Informationen zu bekommen, selbst Einfluss zu nehmen, sich zu bewaffnen und weitere Mitstreiter zu gewinnen. Und es geht hier nicht um ein paar Leute, die die Bevorratung zu ernst nehmen – das historische Vorbild sind die Freikorps, untrennbar mit ihnen verbunden sind die politischen Morde. Eine entscheidende Rolle bei der Organisierung spielt der burschenschaftliche Backround der Hauptakteure des jetzt aufgedeckten, offensichtlich militanten Netzwerkes.

Es sind eben jene Seilschaften die als Bünde fürs Leben gelten. Es sind eben jene Burschenschaften, die Herr Tillschneider gerne stärker „in die Studentenschaft integrieren“ will, deren abnehmende Relevanz im studentischen Leben er bedauert und denen er eine Toleranz attestiert „an der sich so manches linke Netzwerk ein Beispiel nehmen“ könne. [1] Es sind eben jene Burschenschaften, über deren Charakter und deren Einordnung und Problematisierung als rechts und teilweise eben auch extrem rechts auch hier im Hause politisch gestritten wird. Es sind eben jene Burschenschaften, von denen einerseits Herr Raue bestritt, dass sie Rekrutierungspool für die AfD seien, die andererseits einige Monate später von Jan Wenzel Schmidt gelobt wurden weil die AfD-Fraktion ihnen „viele fähige und tüchtige Mitarbeiter" verdanke. Es sind eben jene Burschenschaften, zu denen die Landesregierung nahezu nichts weiß.

Die Veröffentlichungen zeigen auch, wie wenig die staatlichen Informationen und Einschätzungen mit der Realität zu tun haben. Noch im April dieses Jahres antwortete die Landesregierung auf eine Kleine Anfrage von mir, dass ihr keine rechtextremen Burschenschaften in Sachsen-Anhalt bekannt seien. Zum ebenfalls wichtigen Akteur beim Kampf gegen die staatliche Ordnung, dem Institut für Staatspolitik, sieht es ähnlich aus. Und was die Landesregierung da weiß, das will sie der Öffentlichkeit vorenthalten.

Und, und das gehört zwingend dazu um die Gefährlichkeit der Situation in der wir uns befinden zu verstehen: Angesichts von ebenfalls immer wieder öffentlich werdenden Verflechtungen von Teilen des Sicherheitsapparates mit eben dieser burschenschaftlichen Szene, aber auch angesichts von jahrelang prägendem Einfluss von Personen wie Gordian Meyer-Plath, der als VS-Präsident Sachsen denselben burschenschaftlichen Verbindungen angehört wie diese rechtsextremen Vorbereiter eines „Rassenkrieges“, stellt sich immer wieder die Frage, wie tiefgreifend der Einfluss der extremen Rechten auf staatliche Strukturen bereits ist. Immer neue Informationen über rechtsextreme Strukturen innerhalb der Bundeswehr, die Informationsweitergabe von Polizisten an rechtsextreme Gruppen wie letzte Woche wieder in Berlin bekannt geworden, auch die offensichtlich fehlende Bereitschaft diese Strukturen offenzulegen und umfassend aufzuarbeiten zeigen ein gefährliches Problem in Polizeien und Bundeswehr, in Sicherheitsbehörden und der staatlichen Sicherheitsarchitektur.

Aktuelle Debatten reichen nicht aus, um das zu verändern. Hier braucht es endlich schonungslose Aufklärung, umfassende Aufarbeitung und personelle Konsequenzen, meine Fraktion hat dazu schon im vergangenen Jahr umfangreiche Anträge vorgelegt, deren weitere Beratung und erst recht deren Beschluss und Umsetzung weiter ausstehen. Hinzu kommt: Wenn die Demonstrationen des Wochenendes gegen Rassismus und rassistische Polizeigewalt für die DPolG von einem früheren Republikaner und damit Rechtsextremen auf Twitter kommentiert werden und die Polizeigewerkschaften zugleich eine beispiellose Kampagne der Desinformation gegen ein Antidiskriminierungsgesetz fahren, dass z.B. rassistische Polizeigewalt besser aufklärbar machen soll, können wir sehen, dass sich diese Probleme nicht von selbst lösen werden, sondern weiter verschärfen.

Die jetzt veröffentlichen Recherchen zeigen zudem: Die AfD steht im Zentrum der extrem rechten Organisierung. Nicht nur ideologisch, nicht nur mit ihren personellen Verbindungen, sondern auch als Beschafferin von Informationen. Michael Schuster, einer der Hauptakteure des aufgedeckten extrem rechten Netzwerkes saß als Referent für die AfD u.a. im Innenausschuss. Er konnte dort an zahlreiche sicherheitsrelevante Informationen über polizeiliche Einschätzungen, Geflüchtetenunterkünfte und Sicherheitsvorkehrungen gelangen und sie in seine Netzwerke einspeisen. Im 19. Untersuchungsausschuss beschäftigen wir uns penibel mit einer Unterscheidung in das was öffentlich zu verhandeln ist und das was nichtöffentlich beraten werden muss, um keine sicherheitsrelevanten Informationen publik werden zu lassen. Die jetzt bekannt gewordenen Vorgänge zeigen: So lange die AfD dabei ist, nützt diese Unterscheidung gar nichts. Das Sicherheitsproblem sitzt am Tisch, genauso im Parlamentarischen Kontrollgremium für den Inlandsgeheimdienst. Angesichts der bekannt gewordenen Aktivitäten von Teilen der AfD, die einen gewaltsamen Umsturz vorbereiten sollen, ist der Zugang zu sicherheitsrelevanten Informationen höchstgefährlich und nicht akzeptabel.  

Sehr geehrte Damen und Herren, wieder debattieren wir die Rolle der AfD als Teil des organisierten Rechtsextremismus in Deutschland und die von dieser extremen Rechten konkret ausgehenden Gefahren. Reden allein hilft nicht, es muss sich etwas tun: Beim Reservistenverband, der klären muss warum er rechtsextreme militante Mitglieder in seinen Reihen hat und wieso diese so viel Gestaltungsmacht haben können. Bei der Bundeswehr, die endlich rechtsextreme Netzwerke aufdecken und zerschlagen muss. Im Burgenlandkreis, der die Vorgänge um den Corona-Kristenstab der offensichtlich rechtsextrem unterwandert wurde, aufklären muss. Im Innenministerium, wo die Verantwortung für die Einschätzungen zur extremen Rechten und die von ihr ausgehenden Gefährdungen liegt. Bei der Polizei, die u.a. klären muss um was für eine Einladung zum Schießtraining es sich handelt, von der die Vorbereiter eines Bürgerkrieges stolz berichten. Nicht zuletzt auch bei der CDU, die endlich nicht nur ihre Abgrenzung nach rechtsaußen klar machen muss, sondern auch klären muss, wie sie mit rechtsextremen Akteuren in ihren eigenen Reihen umgehen will und personelle Konsequenzen ziehen muss – ich erinnere daran dass eben jenes Mitglied, dass einen AfD-Mann mit „Sieg Heil“ grüßt, nicht zum ersten Mal Thema hier im Landtag ist.

Und auch bei den Staatsanwaltschaften in diesem Land, die nicht nur endlich ihren Umgang mit rechtsextremen Straftaten generell verbessern müssen und erheblich größeren Verfolgungsdruck aufbauen müssen, sondern auch die zahlreichen Hinweise auf Straftaten, die sich aus den jüngsten Veröffentlichungen ergeben, sorgsam prüfen und ermitteln müssen.

Und bei uns allen. Die militanten rechte Szene und ihr parlamentarischer Arm sind eine Gefahr, nicht abstrakt, sondern konkret. Die Anträge, die nach dem Mord an Walter Lübcke und nach dem Anschlag von Halle hier eingebracht wurden, müssen endlich ernsthaft behandelt werden und die nötigen Schritte unternommen werden. 

Denn worauf, meine Damen und Herren, worauf wollen wir denn noch warten? Den nächsten Anschlag? Darauf, dass eines der rechtsextremen Netzwerke von Schießtraining zum Schießen übergeht? Ob dieser Landtag seiner Verantwortung nachkommt wird nicht danach bemessen werden, ob heute ein paar engagierte Reden gehalten wurden. Sondern daran, ob wir endlich genug tun. Bisher tun wir das nicht.