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Henriette Quade zu TOP 3: GE eines Gesetzes zur Änderung des Landesversammlungsgesetzes und von Zuständigkeiten für die Aufgaben nach dem Versammlungsrecht

Sehr geehrte Damen und Herren,

 

die Landesregierung von Sachsen-Anhalt legt heute dem Landtag als Gesetzgeber einen Entwurf vor, mit dem sie in einem für die Demokratie entscheidenden Bereich den rechtlichen Rahmen verändern möchte: Im Versammlungsrecht. Offenbar auf Drängen des Ministerpräsidenten musste nun der Innenminister einen Entwurf erarbeiten und ich sage mal so, meine Fraktion und ich wollen nicht in Abrede stellen, dass die Landesregierung dabei ein verständliches Anliegen verfolgt. Doch dieser Entwurf entspricht schon handwerklich nicht den hohen Maßstäben, die man an Regelungen im Versammlungsrecht anlegen sollte, er überzeugt auch inhaltlich nicht, weil er bestehende Probleme nicht erkennt und sie daher auch nicht beheben kann und zum Dritten würde er bei Beschluss sogar neue Probleme schaffen. Vorweg – wir werden uns einer Beratung in den Ausschüssen nicht verschließen, im Gegenteil haben wir erheblichen Beratungsbedarf und ich hoffe und werbe dafür, dass wir unter den demokratischen Fraktionen eine Verständigung jedenfalls darüber erreichen, ob und wie wir als Parlamentarierinnen und Parlamentarier Regeln schaffen, die das Recht einschränken, das jeder und jedem in der Demokratie erlaubt, sich friedlich und ohne Waffen zu versammeln, auch etwa um Regierung und Parlament zu kritisieren. Ich hätte an dieser Stelle auch erwartet, dass die Landesregierung uns die Ergebnisse ihrer internen Anhörungen zu dem vorliegenden Entwurf vorlegt, um eine sachliche Diskussion zu fördern. Wer das Versammlungsrecht verschärfen will – also Rechte einschränken – ist in der Position erklären zu müssen, warum das notwendig sein soll. Eine Ausweitung etwa des Uniformierungsverbotes – wie das die Landesregierung tut – damit zu begründen, dass es irgendwo in der Bundesrepublik Fälle gebe die mit der gesetzlichen Grundlage in Sachsen-Anhalt nicht handhabbar wären und es vielleicht 2019 einen vergleichbaren Vorfall in Wernigerode gegeben habe, von dem man aber nicht sicher wisse, wird dem Thema und der Tragweite dieses Gesetzesentwurfs nicht gerecht. Fataler noch in den Folgen aber auch der Begründung ist die vorgeschlagene Regelung, dem Versammlungsgesetz wieder einen Auffangtatbestand für Verbote und – als milderes Mittel – Beschränkungen von Versammlungen hinzuzufügen, den es aus guten Gründen seit einigen Jahren nicht mehr gibt: Den Auffangtatbestand der Gefährdung der öffentlichen Ordnung. Auch hier folgt die Begründung vor allem der Logik des Zirkelschlusses, gebraucht werde diese Merkmal, weil die Praxis zeige, dass es gebraucht werde. Dabei führt die Landesregierung zutreffend in ihrer Begründung aus, dass die öffentliche Ordnung im Interesse der Versammlungs- und Meinungsfreundlichkeit nicht als Landesrecht in die Generalklausel des § 13 Absatz 1 des Versammlungsgesetzes des Landes Sachsen-Anhalt übernommen wurde. Bevor wir hier als Gesetzgeber den Schritt zurück machen, müssen wir uns erstmal anschauen, ob es tatsächlich ein Defizit im Recht gibt – oder ob wir es nicht vor allem mit einem Vollzugsdefizit zu tun haben, den Gefahren die derzeit von einzelnen Versammlungen in Sachsen-Anhalt ausgehen also durchaus im Rahmen des geltenden Rechts effektiv begegnet werden könnte, wenn etwa die Versammlungsbehörden in die Lage versetzt würden Beschränkungen zu verfügen, die auch der verwaltungsgerichtlichen Kontrolle Stand halten oder aber die Polizei verfügte Beschränkungen effektiver durchsetzen würde. An beidem, das ist wichtig, ändert neues Recht im nichts – auch das muss erstmal durchgesetzt werden. Das verständliche Anliegen, unerträglichen Situationen im Zusammenhang mit rechtsextremen Aufmärschen in Sachsen-Anhalt wirksam zu begegnen verlangt eine genaue Analyse, nicht einfach weitere, in diesem Fall auch noch sehr breite und damit fehl- und missbrauchsanfällige Befugnisse für die Sicherheitsbehörden. Denn – und das ist mein dritter Punkt – der vorgelegte Entwurf der Landesregierung löst auch die Probleme nicht, die es real in der Praxis gibt. Das Schutzgut der öffentlichen Ordnung kann nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts aus guten Gründen nicht mal eben so herangezogen werden, eine Beeinträchtigung des Schutzguts führt auch nicht zwingend dazu, dass deswegen in die Versammlungsfreiheit eingegriffen werden kann. Wir müssen uns in den Ausschüssen nun sehr genau anschauen, welche Problemlagen tatsächlich bei Versammlungen bestehen – der Landtag muss eine bessere Lösung finden als diesen Entwurf der Landesregierung. Denn das Versammlungsrecht muss klar und verständlich geregelt sein, es darf nur dort eingreifen, wo es zwingend notwendig ist, nicht überall dort – wie bei den Vorschlägen zu Schutzwaffen – wo das vielleicht effektiv erscheint.