Henriette Quade zu TOP 17: Bericht über den Stand der Beratung zum Antrag "Rechte Gewalt entschlossen bekämpfen!"
Sehr geehrte Damen und Herren,
„Rechte Gewalt entschlossen bekämpfen! Betroffene schützen, Zivilgesellschaft stärken, Strafverfolgung intensivieren“ – diesen Antrag habe ich für meine Fraktion im August des vergangenen Jahres hier in den Landtag eingebracht. Die damalige Debatte war geprägt vom Gedenken an Dr. Walter Lübcke, der zuvor ermordet worden war. Inzwischen wissen wir deutlich mehr über die Tat und die mutmaßlichen Täter, wissen, dass es eben kein Einzeltäter war, wissen dass Stephan Ernst zuvor schon Taten begangen hat, wissen dass der Verfassungsschutz in Hessen ihn vom Radar verloren hatte trotz guter Gründe ihn im Blick zu haben, wissen dass es Berichte über Verbindungen von Ernst zum Umfeld des NSU gibt, wissen dass Ernst für die rechtsextreme AfD aktiv gewesen sein soll – dieser Fall zeigt exemplarisch auf, wie die Behörden immer und immer wieder in der Verhinderung rechtsterroristischer Taten und rechts motivierter Gewalt scheitern. Die Regierungsfraktionen hier im Haus haben damals in ihrem gemeinsamen Antrag geschrieben, die Ermordnung von Dr. Walter Lübcke sei eine Zäsur gewesen – die bittere Wahrheit ist, dass es eine weitere Tat war in einer langen Reihe rechter Gewalt, die schon damals mehr als 169 Menschen in der Bundesrepublik das Leben gekostet hat. Weniger als zwei Monate nachdem meine Fraktion den umfangreichen Antrag zur Bekämpfung rechter Gewalt eingebracht hatte, versuchte ein antisemitisch und rechts motivierter Attentäter die an Yom Kippur Betenden in der Synagoge in Halle zu ermorden. Durch kaum zu fassendes Glück ist ihm das nicht gelungen. Doch er tötete Jana und Kevin, griff nach der Synagoge den Kiez Döner in Halle an, verletzte auf seiner Flucht weitere Menschen bis er endlich gestoppt wurde. Die Aufarbeitung dieser Tat und das Agieren der Strafverfolgungsbehörden sind inzwischen Gegenstand eines Parlamentarischen Untersuchungsausschusses. Etwas mehr als vier Monate später ermordete ein rechts und rassistisch motivierter Attentäter in Hanau Ferhat U, Mercedes K, Sedat G, Gökhan G, Hamza K, Kaloyan V, Vili P, Said H, Fatih S und erschoss danach seine Mutter und sich selbst. Erst vor wenigen Wochen folgten dann den Enthüllungen über Hannibal und Uniter die Enthüllungen über ein rechtsextremes Preppernetzwerk, bei allen diesen Netzwerken geht es auch um die Planung von Anschlägen, um die Ermordung von Menschen.
Meine sehr geehrten Damen und Herren, der Ermordung von Dr. Lübcke folgte hier im Landtag eine Debatte, dem Anschlag von Halle folgte hier im Landtag eine Debatte, dem Anschlag von Hanau folgte hier im Landtag eine Debatte, den Enthüllungen um das Preppernetzwerk folgte hier im Landtag eine Debatte. –– Immer und immer wieder haben die demokratischen Fraktionen betont, dass nun – im August, im Oktober, im Februar, vor einigen Wochen –, also nun wirklich etwas geschehen müsse. Nun, ich nehme Ihnen ja ab, dass Sie das so meinen. Nur diese endlose Wiederholung von Bekenntnissen ändert nicht die Realität. Und diese endlose Wiederholung von Überzeugungen aus denen keine praktische Politik erwächst, die ist ja auch nicht neu. Wenn Sie die erwähnten Debatten nachlesen, können Sie die Drucksache 7/101 aus dem Juni 2016 dazu legen (Solidarität mit allen von Rassismus, Hetze, Bedrohung und Gewalt Betroffenen sowie Opfern von politisch motivierter Kriminalität), die Beschlüsse des Landtags vom 4. Mai 2017 und die dazu gehörigen Debatten; es fehlt wirklich nicht an Reden und Anträgen mit Bitten an die Landesregierung, mit Einleitungen voller Entsetzen und Anteilnahme. Aber damit tun wir nicht alles, was in der Macht dieses Landtages steht, um gegen rechten Terror und die extreme Rechte vorzugehen. Genau das ist aber, meine Damen und Herren, unsere Verantwortung als Parlamentarierinnen und Parlamentarier. Die Republik lässt sich nicht alleine mit freundlichen Bitten an die Landesregierung und mit Bekenntnissen verteidigen, dazu braucht es konkrete Maßnahmen und genau solche haben wir Ihnen mit unserem umfangreich begründeten Antrag vorgelegt. Der – und das will ich an dieser Stelle auch noch mal sagen, dieser Antrag ist nur ein Anfang, nur ein Teil der konkreten Maßnahmen die notwendig sind – der Antrag also liegt seitdem im Innenausschuss. Einmal hat sich der Ausschuss ergebnislos damit befasst, einmal wurde er von der Tagesordnung genommen. Hätte der Ausschuss die Zeit die wir hier im Plenum schon darauf verwendet haben uns gegenseitig zu versichern, dass nun etwas geschehen müsse darauf verwendet diesen Antrag zu beraten, dann wären wir schon deutlich weiter, hätten eine Beschlussempfehlung und auch schon die ersten Beschlüsse des Landtags; ja, dann könnten wir nun bereits über weitere Schritte beraten. Doch nichts davon ist geschehen und so bleiben die Versprechen an die Betroffenen rechter Gewalt und die Angehörigen der Opfer rechten Terrors hohl und leer. Was die Betroffenen sicher wissen, ist dass der Landtag auch nach der nächsten rechten Gewalttat eine Debatte führen wird. Leider müssen sie befürchten, dass danach nicht viel mehr geschehen wird. Und das auch, weil sich die Regierungsfraktionen gegenseitig blockieren, statt Verantwortung zu übernehmen für die größte Herausforderung in der Innenpolitik, die wir derzeit zu bearbeiten haben. Meine Fraktion und ich stehen seit Beginn der Legislatur bereit, um konstruktiv darüber zu beraten wie rechte Gewalt und rechter Terror bekämpft werden können und welche Voraussetzungen wir als Landtag dazu schaffen müssen. Bisher müssen wir erleben, dass die Regierungsfraktionen zwar viel zu diesem Thema zu sagen haben, aber alles andere blockieren. Daher heute unser Berichterstattungsverlangen.
Meine sehr geehrte Damen und Herren, nehmen Sie die Gelegenheit wahr, ihre Blockadehaltung aufzugeben und uns zusammenarbeiten zu lassen – denn wir sind uns ja in der Sache an vielen Stellen einig, wo Probleme liegen. Unsere Verantwortung ist es, gemeinsam Lösungen zu suchen. Denn die Betroffenen haben mehr verdient als unsere Worte, der Kampf gegen Rechts braucht mehr als unsere Bekenntnisse.