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Henriette Quade zu TOP 17: Aktuelle Debatte: Datenskandal am Universitätsklinikum Magdeburg

Sehr geehrte Damen und Herren,

um eines vorweg zu nehmen: Wenn sich die Vorwürfe bewahrheiten sollten, dass im Uniklinikum Magdeburg missbräuchlich Daten abgefragt wurden, dann ist dies unabhängig davon, wofür sie verwendeten wurden und zu welchem Zweck sie abgefragt wurden ein massives Problem, mit dem wir uns beschäftigen müssen. Insofern bin ich sehr froh, dass der Punkt auf der Tagesordnung des nächsten Innenausschusses stehen wird – hier stehen wirklich viele Fragen im Raum. Von der Frage des Zugangs zu Meldedaten, der offenbar nicht notwendigen Begründung für solche Abfragen, über die Erfassung der Zugriffe, der Kontrollinstanzen an der Stelle an der die Daten abgerufen wurden, der Einbindung der Behörde des Datenschutzbeauftragten in die Entwicklung eines datenschutzkonformen Umgangs mit der besonderen Befugnis zur Datenabfrage, der offensichtlichen Nichtzuordenbarkeit von Abfragen zu denjenigen die sie tätigen, der nur ungefähr zu beziffernden Zahl der Zugriffsberechtigten, bis hin zur Frage, wieso die Klinik nicht sofort, als sie vom Vorwurf des Datenmissbrauchs erfahren hat, die Behörde des Datenschutzbeauftragten informiert hat – das alles müssen wir uns anschauen. –  Und natürlich zeigt sich an dieser Stelle auch erneut, wie schwer wiegend und folgenreich es ist, dass die letzte Landesregierung es weder geschafft hat, die Stelle des Landesbeauftragten für den Datenschutz neu zu besetzen, noch die die Behörde auch im Übrigen so auszustatten, insbesondere personell, dass sie den Anforderung die an sie gestellt werden, auch gerecht werden kann.

Was die AfD hier allerdings wenig überraschend mit dieser Aktuellen Debatte macht, ist Tatsachenfeststellungen zu treffen, für die es bisher keine Belege gibt, Vorverurteilungen vorzunehmen, die die Unschuldsvermutung absichtsvoll ignorieren und eine politische Legende zu stricken, die schlichtweg jeder faktischen Grundlage entbehrt, dafür aber gut in’s politische Programm passt.

Die Partei, die Datenschutzgrundverordnung abschaffen will, schwingt sich hier zur Hüterin des Datenschutzes auf. Sie selbst beschreibt ihre Sicht auf den Datenschutz mit den Worten: „In der Vergangenheit hat ein ideologisch motiviertes übertriebenes Maß an Datenschutzmaßnahmen die Sicherheitsbehörden gelähmt und unverhältnismäßig bürokratisiert.“ und ihn damit generell als Sicherheitsproblem darstellt. Und es ist dieselbe Partei, die ein denunziatorisches Meldeportal für nichtrechte Lehrerinnen und Lehrer installierte, das nur auf Grund ihrer besonderen Stellung als Fraktion dieses Hauses nicht wie sein Vorgänger in Mecklenburg-Vorpommern gerichtlich verboten werden konnte, weil es schlichtweg illegal war.

Insofern ist das Bemühen um den Datenschutz in keiner Weise glaubhaft. Schlichtweg nicht erwiesen ist die Darstellung im Begründungstext der Aktuellen Debatte und ich bin mir sehr sicher, dass auch dies kein Versäumnis und keine unglückliche Formulierung ist, sondern das Kerngeschäft der AfD, nämlich Fakenews:

Die AfD nennt die beschuldigte Person zwar Verdächtige, macht sie aber zugleich zur Verurteilten. Wenn sie schreibt, dass die Person ihren Zugang zum Melderegister „missbrauchte um Daten an gewalttätige Linksextreme zu geben“, dann ist dies eine unzulässige Vorwegnahme eines möglichen Ausgangs der Ermittlungen und der entsprechenden Verfahren vor Gericht. Und zwar gleich doppelt, denn es geht ja um 2 Verfahren, deren Ausgang hier vorweg genommen wird. Es ist kein Fakt, sondern ein Verdacht. Ein Urteil, dass diesen Verdacht bestätigen könnte, gibt es nicht und wenn hat dies es ein Gericht zu fällen und nicht die AfD.

Was es gibt, ist das Urteil des Arbeitsgerichtes Magdeburg, das im Sommer die Kündigung der beschuldigten Mitarbeiterin zu verhandeln hatte. Es stützt die Behauptung der AfD nicht, im Gegenteil. Die Mitteldeutsche Zeitung vom 13.10. schreibt und zitiert aus dem Urteil: “Die Uniklinik habe weder für eine unerlaubte Abfrage noch für eine Weitergabe der Daten Beweise vorgelegt. Die gekündigte Person war nämlich nicht die einzige Person, die Zugriff auf den Account hatte, von dem aus die strittige Datenabfrage erfolgt ist...“

Die dienstlichen Zugänge sind offensichtlich nicht zweifelsfrei bestimmten Personen zuzuordnen, welche Daten von wem abgerufen wurden, wird vor Ort -so die MZ- nicht mal erfasst. Und ja, ich sagte es eingangs- das Datenmanagement der Uniklinik wirft mehr als eine Frage auf und muss umfassend aufgeklärt werden. Diese Aktuelle Debatte braucht es dazu nicht.

Weiterhin behauptet die extreme Rechte hier im Haus – und auch das ist weder neu, noch überraschend- es stehe zu befürchten, „dass Verbindungen linksextremer Gewalttäter bis in Stellen des Öffentlichen Dienstes in Sachsen-Anhalt bestehen“.

Meine Damen und Herren, selbst wenn sich alle Behauptungen die die AfD zu diesem Fall vorgebracht hat bewahrheiten würden, wäre dies ausgemachter Unsinn. Es gibt keine „linksextremen Netzwerke“ in den Behörden dieses Landes. Diese Idee scheint mir viel mehr der wahnhaften Vorstellung zu folgen, alle, die nicht so rechts wie die AfD sind, müssten links oder sogar linksextrem sein, was auch immer das eigentlich konkret sein soll. Mit Tatsachen, Netzwerken oder Unterwanderung des Öffentlichen Dienstes hat es nichts zu tun.

Aber natürlich – je reißerischer desto besser ist die altbekannte Devise der AfD auch hier im Hause.

Und auch wenn sich die Vorwürfe gegen die Verdächtige bewahrheiten sollten, was weder sie noch ich wissen, wäre dies natürlich zu ahnden. Es bliebe aber dennoch ein singulärer Fall. Nicht singulär sind dagegen Berichte über befürchtete und erwiesene illegale Datenweitergaben an die extreme Rechte aus Behörden heraus.

So wurden im Jahr 2016 in Leipzig interne Polizeidokumente und polizeilich erstellte Fotos von Beweismitteln der NPD zugespielt, die diese zuerst veröffentlichte, später folgten dann Veröffentlichungen ihrer Freunde von „LEGIDA“.[1]

Bei der Staatsanwaltschaft Chemnitz werden aktuell 2 Ermittlungsverfahren wegen des Verdachts der Verletzung von Dienstgeheimnissen gegen Unbekannt und gegen das LKA selbst geführt. Konkret geht es um die Weitergabe von Daten, die sich auf einem beschlagnahmten Handy befinden an das rechtsextreme Compactmagazin.[2]

Zu Beginn dieses Jahres erschütterte die Meldung, dass interne Fahndungsaufrufe der Berliner Polizei in rechtsextremen Chats beim Messengerdienst Telegram aufgetaucht sind. Eine Polizeisprecherin bestätigte dem SPIEGEL. „Ja, es muss tatsächlich jemand aus der Berliner Polizei geleakt haben“[3] Hierbei ging es nicht um Ergebnisse von Durchsuchungen, sondern eher um eine Warnung vor Durchsuchungen im Zusammenhang mit dem Versuch der Erstürmung des Reichstags im Sommer 2020 in einer Gruppe, die sich »Sicherheitshinweise für Nationalisten« nennt und Rechtsextremen Tipps zum Schutz vor Überwachung durch Sicherheitsbehörden und Geheimdienste gibt. Und eben offenbar auch vor Durchsuchungen warnt.

Noch immer nicht umfassend geklärt ist der Komplex NSU 2.0. – Über 100 Drohmails wurden mithilfe behördlicher Daten verschickt – mutmaßlich von jemandem, der sich als Polizist ausgab, um an sensible Daten die bei der Polizei gespeichert wurden, insbesondere prominenter linker Frauen und women of color zu kommen. Mit Erfolg.

In Berlin wurde im letzten Jahr gegen einen Beamten ermittelt, dem vorgeworfen wird, wenige Stunden nach dem Terroranschlag des auf dem Breitscheidplatz erste Erkenntnisse der Polizei in einer Chatgruppe mit zwölf Neuköllner AfD-Mitgliedern und Rechtsextremisten geteilt zu haben.[4]

Ebenfalls in Berlin besteht der dringende Verdacht, dass aus dem Verfassungsschutz heraus, als vertraulich eingestufte Dokumente und Informationen in Bezug auf die Beobachtung der AfD an ebenjene weitergegeben zu haben. Von der strukturellen Verwobenheit mit der rechten Szene, dem Akzeptieren rechtsextremer Straftaten, das mit dem Prinzip Quellschutz einhergeht und der Behinderung der Arbeit der NSU-Untersuchungsausschüsse an dieser Stelle ganz zu schweigen.

Und ja, auch in dem Fall von dem wir heute sprechen, weist die Anwältin der Verdächtigen darauf hin, dass diese erst durch die Presse von den Ermittlungsverfahren habe, während diese über Details der Ermittlungen berichten könne. Auch die Frage wie das eigentlich sein kann, muss also auf den Tisch.

Dieser wirklich unvollständige Blick zeigt: Ja, wir haben ein massives Problem mit dem Datenschutz. Ja, wir haben ein Problem mit unerlaubten Datenweitergaben und der nicht dienstlichen Verwendung dienstlich gewonnener Informationen. Ja, wir haben ein Problem mit der Rolle von Polizei und Behörden darin. Dies besteht aber ganz sicher nicht in einer wie auch immer gearteten Präsenz von sogenannten „Linksextremen“ in den Behörden dieses Landes oder im Öffentlichen Dienst.

Das strukturelle Problem – unkontrollierter Zugriff auf Daten, fehlende Begründungspflicht, fehlende Überprüfungen, fehlende Sicherungsmaßnahmen – das alles taucht in ihrer Argumentation gar nicht auf. Das zeigt: dass ausgerechnet die AfD sich zur Hüterin des Datenschutzes aufschwingt ist ebenso durchschaubar wie geheuchelt.

 


[1] www.lvz.de/Leipzig/Polizeiticker/Polizeiticker-Leipzig/Maulwurf-bei-der-Polizei-Leipziger-NPD-erhaelt-interne-Dokumente

[2]edas.landtag.sachsen.de/viewer.aspx

[3]www.spiegel.de/politik/deutschland/berlin-polizei-internat-zu-sturm-auf-reichstagstreppe-in-rechtsextremen-chats-aufgetaucht-a-1cfd8669-5ac1-4650-ba25-5ef695e84b3c

[4] m.tagesspiegel.de/berlin/nach-breitscheidplatz-anschlag-polizei-interna-mit-afd-geteilt-lka-prueft-bezug-zu-pegida-bachmann/25889972.html