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Christina Buchheim zu TOP 7: GE zur Änderung des Kommunalverfassungsgesetzes und wahlrechtlicher Vorschriften

Sehr geehrte Frau Präsidentin,

werte Kolleginnen und Kollegen,

 

mit dem vorliegenden Gesetzentwurf soll die kommunale Handlungsfähigkeit in Pandemiezeiten aufrechterhalten werden. Mit der Einführung neuer Formen der Beratung und Beschlussfassung der kommunalen Vertretungen soll nach der Gesetzesbegründung der aktuellen Corona-Pandemie Rechnung getragen werden und wieder Rechtssicherheit in die Gremienarbeit einkehren.

Meine Damen und Herren, festzustellen bleibt, die Rechtsunsicherheit in den Kommunen wurde allein mit der Erlasslage des Innenministeriums geschaffen. Wir vertreten weiterhin die Auffassung, dass unsere Kommunalverfassung ausreichende Optionen bereithält, die Handlungsfähigkeit der Kommunen sicherzustellen. Die Kommunalpolitik wird getragen vom Prinzip der Präsenzsitzungen und dem Öffentlichkeitsgrundsatz. Zwischenzeitlich hat die Kommunalpolitik gut funktioniert. Durch die Wahl größerer Versammlungsräume und die Einhaltung der Schutz- und Hygienemaßnahmen waren Präsenzsitzungen durchführbar. An dieser Stelle möchte ich die Gelegenheit nutzen, mich bei den Verwaltungsmitarbeitern für die vielen organisatorischen Umsetzungen und den Kommunalpolitikern für ihre, in der Krise, geleistete Arbeit zu bedanken.  In den letzten Monaten ist es gelungen, trotz der vorliegenden Krisensituation die Ratsarbeit sicherzustellen.

Die von uns in der ersten Beratung kritisierte Vielzahl unbestimmter Rechtsbegriffe wurde auch vom Gesetzgebungs- und Beratungsdienst aufgegriffen und abgeholfen.

Die zusätzliche Form der öffentlichen Bekanntmachungen der Kommunen über das Internet ist zeitgemäß und wurde von uns schon 2018 gefordert.

In außergewöhnlichen Notsituationen sollen nunmehr notwendige Sitzungen der Vertretung als Videokonferenz zulässig sein. Ohne Zweifel muss die Digitalisierung auch auf der kommunalen Ebene Einzug halten. Der Gesetzgeber verlagert jedoch technische und datenschutzrechtliche Fragen auf die Kommunen. Die im Landtag bereits durchgeführten Ausschusssitzungen per  Telefon- oder Videokonferenz haben die vorhandenen Schwachstellen aufgezeigt. Bis heute ist eine technische Umsetzung hier im hohen Haus nicht garantiert.

Auf der kommunalen Ebene arbeiten viele Räte (noch) nicht digital. Es fehlen vielerorts die entsprechenden Strukturen. Daran werden die eröffneten Möglichkeiten scheitern. Es wird wohl eher darauf hinauslaufen Erfahrungen zu sammeln. Ohnehin müssten zunächst Hauptsatzungen und Geschäftsordnungen angepasst werden, sodass die Neuregelungen kaum zeitnah greifen können.

Sinnvoll wäre es gewesen, einzelne Ratsmitglieder, denen eine Teilnahme an der Sitzung aus Gründen des Infektions- oder Gesundheitsschutzes nicht möglich ist, per Videokonferenz zuzuschalten. Dies ermöglicht der Gesetzentwurf leider nicht. Ausdrücklich wurde sogar hingewiesen, dass das nicht gewünscht ist. Die Sitzung soll komplett als Präsenzsitzung oder Videokonferenz abgehalten werden. Dass ist für uns nicht nachvollziehbar. In der aktuellen Situation wird dieser Teil des Gesetzesvorhabens wenig helfen.

Ratssitzungen mit mehr als 30 Teilnehmern im digitalen Format sind schwer vorstellbar. Beispielsweise Halle ist zwar digital gut aufgestellt, die Umsetzung einer Ratssitzung mit 56 Stadträten zzgl. Verwaltung halten wir zweifelhaft. Ratsarbeit ist getragen durch eine dynamische Meinungsbildung in den Gremien. Ich denke, dass viele Umsetzungsprobleme das Vorhaben scheitern lassen wird.

Aus vorgenannten Gründen werden wir uns zum Gesetzentwurf enthalten.

Die Sicherstellung anstehender Wahlen ist ein wichtiges Kriterium. Es gibt 3 Handlungsoptionen:

  • Augen zu und durch
  • Verschiebung des Wahltermins
  • Briefwahl für alle.

Das Bundesverfassungsgericht hat sich wiederholt mit dem Instrument der Briefwahl auseinandersetzen müssen und sie für mit dem Grundgesetz vereinbar befunden. Lediglich eine begründungslose Briefwahl wäre nicht mit dem Grundgesetz vereinbar. Es obliegt dem Gesetzgeber, die Briefwahl vor erkennbaren Missbräuchen zu schützen. Verfassungsrechtlich halten wir den Weg, allein die Landeswahlleiterin zur Entscheidung zu ermächtigen, für erheblich bedenklich. Diese Entscheidung hat das Parlament zu treffen. Wenn der Fall einer höheren Gewalt vorläge, sehen wir allerdings die Gefahr, dass das Parlament nicht mehr entscheiden kann. Deshalb ist die vorliegende Änderung des WahlG alternativlos, verfassungsrechtlich jedoch bedenklich. Deshalb werden wir uns zum Gesetzentwurf enthalten.

Eine Pandemie stellt sowohl für Wählerinnen und Wähler als auch für Wahlhelfer eine Gefahr für Leib oder Leben dar.

Rechtliche Gutachten kommen zu dem Ergebnis, dass bei einer tatsächlich bestehenden Unmöglichkeit der Durchführung der Urnenwahl eine reine Briefwahl ausnahmsweise zulässig sein kann. Die Hürden sind hoch, die Entscheidung darf nicht vorschnell getroffen werden und  die Entscheidung muss im Nachgang einer gerichtlichen Überprüfung standhalten. Daran muss sich die Entscheidung messen lassen.