Diese Website verwendet Cookies. Warum wir Cookies einsetzen und wie Sie diese deaktivieren können, erfahren Sie unter Datenschutz.
Zum Hauptinhalt springen

Andreas Höppner zu TOP 6: Strukturwandel in der Automobil- und Zulieferindustrie gestalten

Anrede,

Neue und moderne Antriebsarten, Elektromobilität, Dieselkrise, autonomes Fahren und auch gesellschaftliche sowie umweltpolitisch neue Anforderungen verändern die Automobilindustrie derzeit stark bzw. zwingt sie zum Umdenken und dazu, sich an den neuen Bedingungen bzw. Anforderungen anzupassen.

Die Autoindustrie ist auch und gerade in Sachsen-Anhalt ein äußerst wichtiger Arbeitgeber. 2017 waren etwa 820.000 Menschen in Deutschland in Firmen beschäftigt, die Autos oder Autoteile produzieren. In Sachsen-Anhalt haben wir zwar keine Automobilhersteller, aber ca. 260 Unternehmen mit rund 23000 Beschäftigte in der Automobilzulieferindustrie. Die meisten dieser Zulieferer haben ihren Sitz in der Altmark bzw. im Harz. Also in den sogenannten strukturschwachen Regionen. Sie stellen dort mancherorts sogar die einzigsten Industriearbeitsplätze vor Ort zur Verfügung.

Dazu kommen unzählige weitere Dienstleister wie zum Beispiel Ingenieurbüros, Handwerksbetriebe, Unternehmensberater oder Werbeagenturen, die ihr Geld mit Aufträgen von Firmen aus der Autoindustrie verdienen. Also insgesamt eine Vielzahl unterschiedlichster Unternehmen.

Nennen muss man aber in diesem Zusammenhang auch die vielen Pendler aus der Altmark, der Börde und dem Harz nach Niedersachsen in die VW Werke und Niederlassungen bzw. auch den dortigen Zulieferern. Ohne diese, in wesentlichen Teilen sehr gut bezahlten und tariflichen Arbeitsplätze, hätten wir hier in Sachsen-Anhalt ein gewaltiges Problem.

Als einer der wichtigsten Wirtschaftszweige in Deutschland ist somit die Automobilindustrie auch für Sachsen-Anhalt hinsichtlich ihrer Wirtschaftskraft, der Beschäftigungswirkung und der innovativen Ausstrahlung auf andere Bereiche von sehr großer Bedeutung.

2017 haben die drei großen deutschen Autokonzerne VW, Daimler und BMW weltweit 16,5 Millionen Fahrzeuge hergestellt. So viele wie nie zuvor. Für 2018 melden Volkswagen, Daimler und BMW noch Absatz-Rekorde. Volkswagen z.B. meldete weltweit mehr als 10,8 Millionen verkaufte Fahrzeuge und damit rund ein Prozent mehr als im Vorjahr.

Auffällig ist allerdings auch, dass die Zahl der in Deutschland produzierten Autos seit Jahren nicht mehr wächst. Die Hersteller haben ihre Produktion zunehmend ins Ausland verlagert. Somit stellen auch diese Verlagerungstendenzen ein Problem für unsere Zulieferer hier in Sachsen-Anhalt da.
Seit Dezember gingen die Verkäufe bei VW allerdings zurück.

Hauptprobleme der deutschen Autoindustrie sind derzeit dabei der Markt in China, der Markt in den USA  und auch dass die großen Hersteller die Elektromobilität bzw. den Umstieg auf andere moderne Antriebsarten zum Teil verschlafen haben. Die Branche befindet sich weltweit in einem tiefgreifenden Wandel, der auch für unsere Zulieferer in Sachsen-Anhalt nicht folgenlos ist. Neue Märkte haben an Bedeutung gewonnen, Produktionsprozesse und -ketten wurden umgestellt und Standorte im Ausland auf- und ausgebaut oder dorthin verlagert. Gleichzeitig sind sicher geglaubte Absatzmärkte eingebrochen und Produktionen mussten umgestellt oder kurzfristig gedrosselt werden.

Neben diesem Wandel auf dem Weltmarkt mit seinen neuen, großen potenziellen Käuferschichten in den wirtschaftlich aufstrebenden Schwellenländern sind es zurzeit vor allem die rasant fortschreitende technologische Entwicklung und energie- und klimapolitische Erfordernisse, welche die Rahmenbedingungen der Branche grundlegend verändern. Es gilt mit neuen Konzepten auf die veränderten Ansprüche der Menschen an Mobilität zu reagieren und diese in Einklang mit umwelt- und verkehrspolitischen Erfordernissen zu bringen.

Der Blick auf die Branche wird bei uns dabei erheblich durch die herausgehobene Stellung der Volkswagen AG mit ihrem Sitz in Wolfsburg beeinflusst. Dies betrifft nicht nur die Anzahl der in der Metropolregion ansässigen Standorte und Beschäftigten dieses Industriezweigs, sondern auch die industriepolitischen Einflussmöglichkeiten. Die Möglichkeiten und Ansätze industriepolitischer Initiativen aus bzw. in Sachsen-Anhalt sind im Gegensatz zu Niedersachsen sicherlich vergleichsweise gering, da nur wenige Unternehmen der Branche zugehörig sind, aber durchaus vorhanden und auch in Zusammenarbeit mit den Nachbarbundesländern machbar sind. Unsere Zulieferer haben logischerweise eine sehr enge Verbundenheit mit den Herstellern, sind aber zumeist nur ein abhängiges bis letztes Glied in der Kette. Abhängigkeiten sind groß und Einflussmöglichkeiten sind klein.

Häufig gibt es dadurch keine langfristigen Planungen bzw. sind diese überhaupt unmöglich. Dadurch fallen auch viele Ad-hoc-Entscheidungen, die auf plötzlichen Kundenwünschen beruhen. Das führt zu weiteren Risiken. Daneben sind die Marktabsicherung, die damit einhergehende Verhinderung von Wettbewerbsaufbau durch den Kunden sowie die Steigerung der Kundenwahrnehmung durch die Verbesserung im Lieferantenranking wichtige und entscheidende Fragen, wo unsere Zulieferer stehen bzw. ob sie gute Zukunftsaussichten haben und sich auch schnell verändern bzw. anpassen können.

Ich hatte schon erwähnt, dass die Struktur unserer Automobilzulieferer vor allem aus Zweit- und Drittlieferanten- und Dienstleistereinstufungen besteht. Bestätigt ist auch, dass je größer ein Automobilzulieferer ist, desto wichtiger sind seine Internationalisierungsbestrebungen. Zweit – und Drittlieferanten können das meist nicht leisten bzw. haben es nicht im Fokus. Originär unsere Zulieferer haben seltener amerikanische oder asiatische Kunden und die entsprechenden Projektvolumen sind ihnen meist zu hoch bzw. können nicht bewältigt werden. Sie haben ebenfalls meist eine schwache finanzielle Ausstattung und häufig keine ausgeprägte Finanzierungsstrategie.

Meine Damen und Herren,

die Zukunft des motorisierten Individualverkehrs ist ungewiss. Zwar wird auch in den nächsten Jahren mit hohen Absatzzahlen gerechnet und die deutschen Endhersteller verfügen hier über eine gute Ausgangsposition. Welche Akteure und Produkte sich jedoch mittel- und langfristig durchsetzen können, ist hinsichtlich der Entwicklung und des Baus effizienter Fahrzeuge, der Entwicklung alternativer Antriebe, nachhaltiger und integrierter Mobilitätskonzepte fraglich. Es ist davon auszugehen, dass in einigen Jahren „das Auto“  anders aussehen, anders angetrieben und anders genutzt werden wird, als dies heute der Fall ist. Unsere Zulieferunternehmen werden sich auf diese Veränderungen auch in Sachsen-Anhalt einstellen müssen. Die Mobilität von morgen ist dabei natürlich ein großes Thema. Mobilität ist dabei übrigens kein Luxusgut, sondern ein elementares Bedürfnis der Menschen.

Neue Technologien ermöglichen, die Fahrzeuge zu verbessern. Aber neue Technologien fallen nicht vom Himmel, sondern sind auch das Ergebnis großer Investitionen in Forschung und Entwicklung. Auch hier können wir als Land unterstützend für die  Zulieferer tätig werden. Dass die vergangenen Krisen gut überstanden wurden, verdanken wir auch unserer zwar kleinen aber doch vorhandenen industriellen Basis und ihren Produkten sowie zu einem weiteren Teil auch unserer kleinteiligen Wirtschaft überhaupt.

Damit dies auch zukünftig so bleibt, müssen die Rahmenbedingungen stimmen und das liegt sicherlich nicht nur im Interesse der Unternehmensführungen und Belegschaften, sondern liegt auch im Landesinteresse. Das hoffe ich doch zumindest. Die Herausforderungen für die Automobilzulieferer sind vielfältig. Es ist somit dringend zu empfehlen, mit allen Beteiligten, Unternehmen und Zulieferer, Gewerkschaften und Betriebsräten, aber auch mit den Umweltverbänden und den betroffenen Kommunen in einen frühzeitigen Informationsaustausch sowie Dialog zu treten. Darüber hinaus müssen branchenübergreifende Kooperationen gefördert werden. Gleichzeitig können wir aber bereits jetzt feststellen, dass es eine neue Zusammenarbeit gerade durch die Technologie der Elektromobilität zwischen der Großindustrie, kleinen und mittleren Unternehmen und den Start-Ups gibt. Diese Bündelung des Innovationspotentials mit der wirtschaftlichen Stärke stellt ein enormes Potential dar und muss bzw. kann ebenfalls gefördert werden.

Um die Automobilzulieferindustrie zu stärken bzw. zu unterstützen, gibt es eine Vielzahl von Maßnahmen, die durch die Politik getroffen und umgesetzt werden können. Zum Beispiel müssen die Marktzugänge bei den Kunden der Automobilzulieferer verbessert werden. Möglich wäre in diesem Zusammenhang z.B. die Erstellung einer Art Länderbewertung, um Märkte schneller einschätzen und Risiken besser abschätzen zu können. Darüber hinaus kann man natürlich z.B. bei den amerikanischen und asiatischen Herstellern vor Ort aktiv werden. So könnten konkrete Unterstützungsmaßnahmen eingeleitet werden, um die Zusammenarbeit mit den globalen Einkaufsabteilungen zu intensivieren, um Anfragen zu unserer Automobilzulieferindustrie weiterzuleiten. Es gibt viele Möglichkeiten, den Strukturwandel in der Automobilzulieferindustrie zu begleiten und vor allem zum Erfolg zu führen.

Ein sehr wichtiger Faktor bilden natürlich die Beschäftigten. Ohne sie wird es keine erfolgreiche Umstrukturierung bzw. Neuausrichtung geben können. Wir reden hier z.B. insbesondere von Bildungs- und Fortbildungsmaßnahmen. Das Ganze geht aber nur, wenn man auch als Landesregierung in Sachsen-Anhalt in die Initiative geht und die Unternehmen sowie die Beschäftigten nicht alleine lässt. Der  IG Metall Bezirksleiter Thorsten Gröger beschreibt dies alles zusammenfassend in einer Presseerklärung vom 25.06.2019. Ich zitiere:

„Im Bezirk Niedersachsen und Sachsen-Anhalt hängen viele Arbeitsplätze von der Automobilindustrie ab. Während in Niedersachsen der Strategiedialog mit Politik, Wirtschaft und Betriebsräten bereits begonnen hat, haben wir nicht den Eindruck, dass die Landesregierung in Sachsen-Anhalt ein vergleichbares Vorhaben mit uns anstrebt. Dies ist aus unserer Sicht dringend erforderlich, denn in der Zuliefererindustrie sind zehnmal mehr Beschäftigte als in der Kohleindustrie, für die sich das Land bereits stark engagiert hat.“

Also meine Damen und Herren,

es wird Zeit, sich zu bewegen und nicht nur zuzuschauen, als ginge der Strukturwandel und somit die Unternehmen und die Beschäftigten in der Automobilzulieferindustrie der Landesregierung nichts an.