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Doreen Hildebrand zu TOP 32: Aktuelle Debatte "Kein Baustopp für neue Autobahnen"

Sehr geehrte Damen und Herren,

 

Ich habe mir die Anträge der Fraktion DIE LINKE im Bundestag Drs 19/23114 und der Fraktion Bündnis 90/die Grünen im Bundestag Drs 19/22503 durchgelesen. In beiden wird die Bundesregierung aufgefordert, den Weiterbau der A49 zu stoppen. Und ich bin mir sicher, die A49 verläuft nicht durch Sachsen-Anhalt. Gut, meine Fraktion im Bundestag fordert auch, ich zitiere: „alle Autobahnprojekte sowie Neu- und Ausbauprojekte der sonstigen Bundesfernstraßen im Bundesverkehrswegeplan 2030 mit Blick auf die verbindlichen Klimaschutzziele neu zu bewerten.“ Zitat Ende.

Das kann man jetzt als Anlass für eine aktuelle Debatte im Landtag von Sachsen-Anhalt nehmen.

Aber, sehr geehrte CDU, sich hier hin zu stellen mit – ich fasse Ihren Redebeitrag mal zusammen: „das haben wir aber so beschlossen, das darf nicht überprüft werden“, das macht mich fassungslos. Da fällt mir nur ein Zitat von Brecht ein: „Wer A sagt, der muss nicht B sagen. Er kann auch erkennen, dass A falsch war.“

Als selbsternannte „Sachsen-Anhalt-Partei“ muss ich Sie einfach fragen: haben Sie sich soweit von der Realität entfernt, dass Sie im Jahr 2020 noch über neue Autobahnen debattieren wollen? Andere Probleme erkennen Sie nicht? Das ist erbärmlich.

Wenn Sie damit Ihrem eigenen Koalitionspartner deutlich machen wollten, wie blöd es ist, im Land in der Regierung und im Bund in der Opposition zu sein, dann ist Ihnen das gelungen.

Aber wir werden uns daran nicht beteiligen. Ich hoffe bloß, dass Sie, Damen und Herren der Fraktion Bündnis 90/die Grünen endlich begreifen, dass mit der CDU weder im Bund noch im Land eine grüne Verkehrswende zu machen ist.

Vielmehr möchte ich daran erinnern, dass meine Fraktion am 25.08.2017 bereits gefordert hat, eine umfassende Gesamtkonzeption zur Entwicklung einer nachhaltigen Mobilität im Land zu erarbeiten. Und damit sollte aus unserer Sicht genau die Frage, die heute in der Begründung dieser aktuellen Debatte steht – ich zitiere: „Wie kann die Mobilität und die Infrastruktur in Sachsen-Anhalt verbessert werden, um schnell und umweltschonend durch das Land zu kommen.“ Zitat Ende zu beantworten.

Ich möchte die CDU daran erinnern: damals haben Sie unseren Antrag abgetan mit – brauchen wir nicht. Und jetzt, wo in Hessen – nicht in Sachsen-Anhalt die Diskussion hochkocht, ob die A49 weitergebaut werden soll, da wollen Sie mal im Rahmen einer aktuellen Debatte drüber reden – das ist doch wohl ein durchsichtiges Manöver, in dem es Ihnen, meine Damen und Herren der CDU nicht um die Verkehrswende geht.

Hier wird auch deutlich, was Sie unter Wirtschaft verstehen: Ihnen geht es eben nicht um die Altenpflegerin in der ambulanten Pflege, die von Dorf zu Dorf fährt – Ihnen geht es um die Großinvestoren, die sich durch das ÖPP-Projekt A49 eine lohnende Kapitalanlage sichern.

Ansonsten würden Sie nämlich über Verkehrsvermeidung und Verkehrsverlagerung reden müssen. Das was wir brauchen, sind regionale Wirtschaftskreisläufe und ein Überdenken unseres Konsumverhaltens: muss es ein Zweitwagen, ein Dritthandy und superbilliges Grillfleisch, am besten vom Amazon-Lieferdienst sein?

Die von Ihnen hochgelobten Arbeitsplätze, die an den Autobahnen in unserem Land entstanden sind, werden von der Logistikbranche dominiert – und gäbe es nicht den Mindestlohn, wären dies alle prekäre Arbeitsverhältnisse, die eben nicht den Wohlstand der dort arbeitenden Menschen sichern, sondern den Reichtum der Eigentümer, die noch nicht mal hier ihre Steuern zahlen!

Und was besonders entlarvend ist, ist die Formulierung Ihrer Fragestellung: wie kommt man schnell durch Sachsen-Anhalt und nicht, wie kommt man in Sachsen-Anhalt schnell von A nach B. Ist in Ihren Augen Sachsen-Anhalt tatsächlich nur ein Transitland, damit die Berliner schnell zur Arbeit nach Wolfsburg kommen? Die nehmen sowieso den ICE. Und damit sind wir jetzt beim Kern der Debatte:

Wenn Sie wirklich lärmgeplagten Anwohnerinnen vom Durchgangsverkehr entlasten wollen, wie Sie es ja im Ausschuss regelmäßig, zuletzt am 27.08.2020 den Bürgerinnen von Mansfeld erzählt haben, wenn Sie wirklich eine bessere Anbindung von Gewerbegebieten und weniger Stau für Pendlerinnen wollen, dann müssen Sie auch das Geld anders einsetzen.

Um nochmal auf die A49 zurückzukommen: für die gibt es konkrete Vorschläge, die mit geringem Aufwand die akuten Probleme der Anwohnerinnen lösen könnten – mit wenigen Ortsumfahrungen und mit ausgebauter Bahnstrecke. Davon hätten alle etwas. Das Alternativkonzept zur A49 würde Hunderte Millionen Euro sparen. Geld, das wir dringend brauchen, um gute Arbeitsbedingungen und bessere Angebote im ÖPNV und Schienenverkehr zu finanzieren. Und für den Bezug zu unserem Bundesland: Bei der Planung der A 14 hatten wir die sogenannte Hosenträgervariante vorgeschlagen, also den Ausbau der B 71 und der B 189. Das hätte den Bürgerinnen mehr Entlastung gebracht.

Die LKW Richtung Hamburg werden nämlich weiter über die B 71 donnern, weil der Umweg über die A 14 zu groß ist. Und wenn den Verantwortlichen so etwas bewusst wird – was ist daran falsch, die getroffenen Entscheidungen zu überprüfen und umzusteuern: Weg von noch mehr Straßen, hin zu mehr von Bus und Bahn.

Tun Sie doch bitte nicht so, als wären wir ein Entwicklungsland was das Straßennetz angeht. Das ist übrigens das, was Sie uns ständig vorwerfen – jetzt reden Sie nämlich das schlecht, was wir in Sachsen-Anhalt schon haben. In den letzten 30 Jahren wurden in Deutschland Tausende Kilometer Eisenbahn stillgelegt und abgebaut und zugleich Tausende Kilometer Bundesstraßen und Autobahnen neu gebaut.

Wir haben eines der dichtesten Fernstraßennetze Europas. Und Sie jammern hier, dass die Autobahnen nicht genug sind! Nur umgekehrt wird ein Schuh draus: Das was wir jetzt brauchen, ist die soziale und ökologische Verkehrswende. Weg von LKW auf Autobahnen – Brummis auf die Schiene! Weniger motorisierter Individualverkehr klappt doch nur, wenn wir den ÖPNV und SPNV so attraktiv machen, dass ich vom Dorf schneller mit Bus und Bahn in der Stadt bin als über Bundesstraße und Autobahn. Wir brauchen zu Erreichung der Klimaschutzziele mehr Rad- und Fußverkehr und nicht noch mehr Autobahnen!

Vielen Dank.