Oury Jalloh: Transparente Aufarbeitung der Geschehnisse wird weiter verhindert
Stellungnahme unserer innenpolitischen Sprecherin Henriette Quade
Der Landtag von Sachsen-Anhalt behandelte zur jüngsten Landtagssitzung unseren Antrag, einen Untersuchungsausschuss im Fall Oury Jalloh einzusetzen. Seit über 14 Jahren ist es die Initiative Oury Jalloh, die Aufklärung einfordert, Justiz und Politik zur Auseinandersetzung zwingt und keine Ruhe gibt. Danke!
Im Fall Oury Jalloh geht es nicht um den einen Skandal, es geht um eine ganze Kette. Der größte ist, dass ein an Händen und Füßen gefesselter Mensch im Polizeigewahrsam stirbt. Über 14 Jahre und zwei Prozesse vergehen ohne Aufklärung.
Verunmöglicht wird die Aufklärung durch Polizisten, die lügen und schweigen, eine Gesellschaft, die nicht nach den Todesumständen eines schwarzen Asylbewerbers fragt, eine Politik, die Verantwortung von sich wegschiebt und eine Justiz, die entscheidende Fragen nicht stellt. Zentrale Fragen sind weder neu noch beantwortet. Wie soll sich jemand anzünden der gefesselt ist und bei dem kein Feuerzeug zu finden war? Wie brennt eine feuerfeste Matratze? Warum fehlen entscheidende Aufzeichnungen der Zellenbegehung? Warum taucht das Hauptbeweismittel, das Feuerzeug, erst Tage später auf?
Diese Fragen konnten in zwei Prozessen nicht beantwortet werden. Richter Manfred Steinhoff schätzte nach Ende des ersten Prozesses ein „Das, was hier geboten wurde, war kein Rechtsstaat mehr, und Polizeibeamte, die in besonderem Maße dem Rechtsstaat verpflichtet waren, haben eine Aufklärung verunmöglicht.“
Das ist der zentrale Unterschied zu anderen Fällen, bei denen Fragen offen sind.
Wenn Polizisten juristische Aufklärung eines Todesfalles in Polizeigewahrsam unmöglich machen, dann sind nicht diejenigen, die auch politische Aufarbeitung fordern, eine Gefahr für den Rechtsstaat, sondern die, die das ignorieren wollen.
Mit der Entscheidung in der letzten Rechtsausschusssitzung des Landtages, den Beginn der Arbeit der Sachverständigen nochmals zu verschieben, wurde der Beschluss zur Einsetzung von Sachverständigen endgültig Makulatur. Makulatur einer Koalition, in der Aufklärung und Aufarbeitung des Falls Oury Jalloh keine politische Mehrheit haben.
Die Koalitionsfraktionen CDU, SPD und GRÜNE haben sich bei der Abstimmung über einen Untersuchungsausschuss enthalten. Damit ist unser Antrag – mehr als 14 Jahre nachdem Oury Jalloh im Polizeigewahrsam in Dessau verbrannte – gescheitert.
Weil es immer wieder Fragen gab, warum wir das ‚verabredete Verfahren’ im Fall Oury Jalloh verlassen haben:
Die Koalitionsfraktionen haben ihre Ablehnung des Antrags insbesondere damit begründet, dass im Rechtsausschuss bereits die Einsetzung juristischer Berater beschlossen wurde, welche die Akten im Fall Oury Jalloh sichten und bewerten sollen. Diesem Verfahren haben wir uns nicht verschlossen, jedoch müssen wir feststellen, dass diese juristischen Berater bis heute nicht arbeiten.
Die Koalitionsfraktionen verschleppen seit Monaten den Beginn der Arbeit der Berater – entgegen den Beschlüssen im Rechtsausschuss des Landtags von Sachsen-Anhalt ist der Einstieg der Berater nun auf unbestimmte Zeit verschoben. Begründet wurde dies mit dem Klageerzwingungsverfahren, dass die Angehörigen von Oury Jalloh derzeit vor dem Oberlandesgericht Naumburg betreiben. Bisher ist darüber hinaus nicht klar, ob der Bericht an den Rechtsausschuss jemals veröffentlicht wird.
Damit bewahrheiten sich die Befürchtungen, nach denen der Beschluss, juristische Berater einzusetzen, vor allem den Zweck hatte, einen Untersuchungsausschuss zu verhindern. Die weitere Verzögerung ihrer Arbeit lässt sich auch nicht mit dem angestrengten Klageerzwingungsverfahren begründen, da sie Vorgänge der Vergangenheit aufklären sollen, nicht jedoch strafrechtliche Ermittlungen ersetzen. Insoweit greift das im Rechtsausschuss beschlossene Verfahren durch die Blockade der Koalitionsfraktionen nicht. Die Landtagssitzung hat auch gezeigt, dass es zwischen den Fraktionen Uneinigkeit über die Frage gibt, wann die juristischen Berater ihre Arbeit aufnehmen sollen.
Der Justiz- und Polizeiskandal um den Fall Oury Jalloh muss aufgeklärt werden. Dass die Koalitionsfraktionen im Landtag den Antrag auf Einsetzung eines Untersuchungsausschusses abgelehnt haben, während das im Rechtsausschuss ursprünglich beschlossene Verfahren weiter nicht greift, zeigt, dass eine transparente Aufarbeitung der Geschehnisse weiterhin verhindert wird.