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Macht erobern, um Macht abzugeben

Rede unseres Fraktionsvorsitzenden Wulf Gallert auf der 1. Tagung des 5. Landesparteitages der LINKEN Sachsen-Anhalt

Viele von Euch werden ebenso wie Beobachter von außen von mir erwarten, dass ich in meiner Rede einen kritischen Blick auf die Entwicklung in unserem Land werfen werde und mich mit den vielen Problemen und Schwierigkeiten, die es hier gibt, auseinandersetze. Ja, auch das ist nötig, aber das wird nicht am Anfang meiner Rede stehen und es ist tatsächlich auch nicht mein zentraler Ausgangspunkt für den Wahlkampf, den wir gemeinsam gestalten wollen.

Denn dieses Land Sachsen-Anhalt hat, wenn man es richtig anpackt, ungeheure Entwicklungsmöglichkeiten. Wir können hier in Sachsen-Anhalt einen Anziehungspunkt für viele Menschen gestalten, wir können hier im Land eine gute Lebensqualität für alle erreichen, die hier leben und die in Zukunft vielleicht hier leben wollen. Wir können eine innovative Wirtschaft entwickeln, die durch Kreativität und gute Arbeit gekennzeichnet ist. Wir können soziale Gerechtigkeit in dem Maße herstellen, wie wir den Mut zur Umsetzung haben und sich die Rahmenbedingungen in der Bundesrepublik, in Europa und weltweit gestalten. Wir können hier in Sachsen-Anhalt Vorreiter einer inklusiven Gesellschaft werden, mit einem sozial gerechten und qualitativ beispielhaften Bildungssystem. Wir können hier in unserem Land eine Perspektive für alle Regionen erarbeiten, unabhängig davon, ob sie ländlich oder städtisch geprägt sind, wir können dieses Land zu einem kreativen Kulturland entwickeln mit Lust auf Widerspruch und Debatte, und wir können dieses Land Sachsen-Anhalt zu einem sicheren Land machen, mit sozialer Sicherheit genauso wie mit öffentlicher Sicherheit, zu einem Land, in dem niemand Angst haben muss, weder davor, durch das soziale Netz zu fallen, noch in irgendeiner Art und Weise bedroht zu werden.

Vielleicht meinen jetzt einige, das ist ein zu großes Ziel und man sollte sich vielleicht nicht ein Jahr, bevor man selbst die Regierung übernimmt, öffentlich überheben. Aber, liebe Genossinnen und Genossen, ich glaube sehr wohl, dass es hier in Sachsen-Anhalt an vielen Stellen Optimismus und Ideen gibt, die Dinge voran zu bringen. Allerdings - an einer Stelle in diesem Land sehe ich das nicht, und das ist unsere Landesregierung. Ich bin fest davon überzeugt, dass wir die Ideen- und Kraftlosigkeit dieser von Ministerpräsident Haseloff geführten Landesregierung etwas entgegen setzen können und damit Bremsen in diesem Land lösen, die eine positive Entwicklung wirklich verhindern.

Woraus aber speist sich denn unser Optimismus, der nun so gar nichts zu tun hat mit dem tristen Bild, das unser Land häufig in überregionalen Medien abgibt und zu dem der Ministerpräsident häufig genug die personelle Ergänzung darstellt?

Natürlich sind es zum einen die Traditionen, die diesem Land seine Geschichte geben. Wir blicken zurück auf eine lange Kette von Impulsen, die von Sachsen-Anhalt ausgegangen sind. Und natürlich kann man auch als LINKE darauf stolz sein, dass Sachsen-Anhalt im frühen Mittelalter Zentrum eines Herrschaftsgebietes war, das sich zu diesem Zeitpunkt allerdings noch nicht als deutsch verstand. Wir können stolz sein auf die höchste Konzentration vom UNESCO-Weltkulturerbe, wie z. B. dem Dessau-Wörlitzer Gartenreich, von dem ich, und das gebe ich nicht nur hier gerne zu, ein wirklicher Fan bin, das unmittelbar mit der Idee der Aufklärung und der Aufnahme von Impulsen aus ganz Europa, den flämischen Einwanderern aber auch der britischen Landschaftsarchitektur verbunden ist.

Und natürlich können auch wir LINKEN darauf stolz sein, dass von Sachsen-Anhalt der Impuls der Reformation ausging, ein Impuls, der alte Weisheiten substanziell infrage stellte und in der Lage war, eine jahrhundertealte europäische Ordnung zu kippen. Ich weiß natürlich, dass der Umfang der Feierlichkeiten zum Reformations-Jubiläum auch in unseren Reihen nicht auf ungeteilten Zuspruch trifft. Aber, Genossinnen und Genossen, lasst mich das vielleicht hier nur am Rande sagen, auch hier gilt es, die Chance für eine echte gesellschaftliche Debatte zu ergreifen, denn sie ist auch für diejenigen wichtig, die nicht Mitglied einer Kirche sind, weil sie - und das ist eigentlich unsere Aufgabe dabei - Fragen des gesellschaftlichen Umbruches auch und gerade jenseits von Kirchenmauern stellt.

Und lasst mich nur hier noch einmal kurz auf die Dinge zurückkommen, die Birke und Frank bereits am Anfang zur Geschichte des 20. Jahrhunderts gesagt haben. Ja, unser Land war ein Schwerpunkt von Innovation und Neuerungen. Aber es war eben auch ein Schwerpunkt des politischen Versagens und der verpassten Chancen, mit diesen Möglichkeiten umzugehen.

Aber natürlich erschöpft sich unser Optimismus für Sachsen-Anhalt nicht in seiner Geschichte. Wir haben hier in Sachsen-Anhalt zwei Universitäten und fünf Fachhochschulen, die in der Lage sind, Perspektiven zu entwickeln, sowohl in der Wirtschaft als auch in der gesellschaftlichen Debatte und für den Bereich der sozialen Daseinsvorsorge. Wir können mit dieser Struktur ein ungeheures Potenzial entwickeln, allerdings nicht dann, wenn man, wie diese Koalition, diese Einrichtungen vor allem als zu reduzierende Kostenblöcke betrachtet. Wir haben in diesem Land immer noch eine ostdeutsche Tradition, nach der es selbstverständlich ist, dass Frauen und Männer Familie und Beruf unter einen Hut bringen und sich Frauen nicht freiwillig aufs Abstellgleis schieben lassen wollen. Wir haben noch immer, wenn auch eine bedrohte, hervorragende Kulturlandschaft, die besser ist, als in den meisten westlichen Flächenländern, die aber darunter leidet, politisch permanent zur Debatte gestellt zu werden. Wir haben hier in unserem Land eine überwiegend moderne Infrastruktur, die es so nicht an vielen Orten auf der Welt gibt, die allerdings hier und da mit Betonkrebs und an anderer Stelle mit Streckenabbestellungen zu kämpfen hat. Wir haben ein wunderschönes, eigentlich auch für Touristen interessantes Land, das unglaublich viel zu bieten hat. Nicht nur, das mögen mir die Harzer jetzt verzeihen, den Harz, das Saale-Unstrut-Tal oder die anhaltischen Welterbestätten, sondern auch einen wunderschönen Norden, das möge man mir als alten Havelberger jetzt verzeihen am Tag der Buga-Eröffnung, der sich ähnlich wie hier in der Region durch wunderschöne Flusslandschaften auszeichnet. Und letztlich haben wir eine geographische Lage, die es uns ermöglicht, sowohl zu den westlichen Ballungszentren zu schauen als auch zu den östlichen Entwicklungszentren, die für unser Land vor einigen Jahrzehnten wichtig waren, aber auch in Zukunft wieder besonders wichtig werden können und müssen.

Wenn man sich diese lange Liste von Vorzügen anschaut, stellt sich schon die Frage, warum in vergleichenden Untersuchungen in den letzten Monaten wieder festgestellt wurde, dass sich die Menschen mit unserem Bundesland weniger als in den Nachbarländern identifizieren, warum soziale Ängste hier ausgeprägter sind, warum die Einkommen zusammen mit Mecklenburg-Vorpommern am Ende der bundesdeutschen Vergleichsskala liegen, warum wir in den letzten zehn Jahren beim Wirtschaftswachstum die rote Laterne haben und warum - anders, als z. B. in Thüringen - noch immer mehr junge Menschen das Land verlassen als zu uns kommen.

Da muss etwas gewaltig falsch laufen in diesem Land. Da müssen Entwicklungsmöglichkeiten schlechter genutzt worden sein, da müssen Chancen verpasst worden sein, da muss Kreativität aus dem Land getrieben und Pessimismus geradezu verordnet worden sein. Und das, liebe Genossinnen und Genossen, ist genau das Problem, das wir in diesem Land lösen müssen. Und wenn ich sage wir, dann meine ich das auch so. Es ist an uns und an niemand anderem, eine Regierung in unserem Land anzuführen, die endlich in der Lage ist, die vielen Chancen und Möglichkeiten, die es hier gibt, offensiv zu nutzen und den Menschen in Sachsen-Anhalt wieder den Optimismus zu vermitteln, dass sie hier richtig sind und dass es hier eine gute Zukunft für sie selbst und die nächsten Generationen gibt.

Warum ist ein Kurswechsel in diesem Land so wichtig? Welches sind nun die Stellschrauben, die diese Landesregierung entweder gar nicht oder wenn, dann falsch gedreht hat?

Eines der substanziellsten Probleme, das diese Landesregierung in den letzten zehn Jahren verursacht hat, ist das Signal, dass der Staat sich immer mehr aus seiner Verantwortung für die öffentliche Daseinsvorsorge in der Fläche zurückzieht. Hier kommen bei der Landesregierung zwei falsche Grundüberzeugungen zusammen, mit denen wir uns in den letzten Jahren massiv auseinandergesetzt haben.

Zum einen geht es um einen grundlegenden Pessimismus bei der Entwicklung von Sachsen-Anhalt, den diese Landesregierung ausstrahlt. Natürlich kennen auch wir die Prognosen der demografischen Institute und die Bevölkerungsentwicklung insbesondere der letzten 25 Jahre. Die Frage ist doch aber, wie man mit diesen Erkenntnissen umgeht. Und die noch entscheidendere Frage ist, ob man überhaupt davon ausgeht, dass sich Zukunft in diesem Land gestalten lässt. Der ganz entscheidende Fehler dieser Landesregierung besteht darin, dass sie diese letzte Frage mit Nein beantwortet und sich schicksalsergeben in ihre eigenen negativen Prognosen gefangen hält. Selbst unter den jetzigen politischen Verhältnissen in Sachsen-Anhalt haben die Menschen offensichtlich keine Lust mehr, den negativen Prognosen der Landesregierung zu folgen. So gibt es z.B. Prognosen der Krankenhausgesellschaft unseres Landes, dass der Bevölkerungsschwund für den Zeitraum 2010 – 2025 nur halb so stark ausfällt wie von der Landesregierung prognostiziert. Dabei ist noch nicht einmal berücksichtigt, dass wir es jetzt mit einem erheblichen Zuwanderungspotenzial zu tun haben, das sich aus ganz verschiedenen Gruppen - ob Flüchtlinge oder EU-Bürger - zusammensetzt und das, wenn wir diese Chance ergreifen, die Bevölkerungsentwicklung in Sachsen-Anhalt weiter stabilisieren und die mit ihren Ideen und Möglichkeiten unsere Gesellschaft entwickeln und bereichern kann. Und trotzdem hält diese Landesregierung daran fest, Schulstandorte infrage zu stellen und Polizeipräsenz zu verringern, weil sie sich von der Hoffnung verabschiedet hat, die Abwärtsspirale zu stoppen.

Ganz ähnlich sehen übrigens die langfristigen Prognosen unseres Finanzministers für den Landeshaushalt aus. Thomas Lippmann, GEW-Landesvorsitzender, hat dazu übrigens einmal eine interessante Grafik erstellt und diese Prognosen miteinander verglichen. Selbst die Politik dieser Landesregierung war nicht in der Lage, diese Prognosen in die Realität umzusetzen, obwohl sie sich hier und da viel Mühe gegeben hat. Wenn man sich darauf verlassen hätte, hätten wir heute etwa zwei Mrd. Euro weniger in der Kasse, und da sind die Fluthilfe-Mittel noch nicht einmal dabei, bei denen ich mal akzeptiere, dass sie auch von Jens Bullerjahn nicht prognostiziert werden konnten.

Im Herangehen dieser Koalition gibt es aber noch einen zweiten grundlegenden Fehler, der Entwicklungschancen verbaut und Zukunft infrage stellt, nämlich die einseitige Orientierung auf die Reduzierung von Ausgaben zur möglichst schnellen Schuldentilgung. Negative Bevölkerungsprognosen werden dazu benutzt, um den Abbau öffentlicher Leistungen zu legitimieren und zwar vorauseilend, getreu dem Motto: In Zukunft werden hier noch weniger Menschen wohnen, deswegen können wir jetzt schon einmal die Heidebahn abbestellen. Oder die Schülerzahlen werden sich in der nächsten Generation noch einmal halbieren, deswegen müssen wir schon jetzt mit der Ausdünnung von Schulstandorten anfangen. Ganz zufällig spart man dann ja auch noch ein paar Lehrer ein, und da die Bevölkerung ohnehin immer weniger und älter wird, können auch die Polizisten immer weniger und älter werden, die müssen dann auch nicht mehr so schnell rennen, wenn es demnächst hier nur noch Rentner gibt. Was dahinter steht, ist aber etwas anderes. Es ist das alte Ziel, öffentliche Angebote zu reduzieren und Daseinsvorsorge zu privatisieren, um öffentliches Geld einzusparen. Die Leute sollen doch besser mit dem eigenen Auto als mit dem Zug fahren, sich um die Bildung ihrer Kinder nachmittags selber kümmern, wenn der Unterricht in der Schule ausfällt und sich ein bisschen mehr Sicherheitstechnik zu Haus einbauen. Vielleicht kann auch noch ein privater Wachdienst irgendwo bezahlt werden. Letztlich versucht man damit, ohne Wenn und Aber Ausgaben zu reduzieren, bei uns vor allem mit dem Argument, alte Schulden abzubauen.

Nun sagen auch wir, Schuldenvermeidung und Schuldenabbau sind völlig legitime Ziele. Daher ja auch unsere Konzepte zur Besteuerung von Vermögen und Einkommen, die sich allerdings auf Landesebene nur über den Bundesrat umsetzen lassen. Allerdings wiederholt diese Landesregierung in Sachsen-Anhalt im Kleinen, was die Bundesregierung auf europäischer Ebene falsch macht, nämlich eine Schrumpfungspolitik als Antwort auf den Mangel an öffentlichen Ressourcen. Wir müssen uns nicht wundern, wenn wir mit dieser Schrumpfungspolitik genau die Potenziale behindern oder aus dem Land treiben, die in der Lage wären, die Entwicklung hier so zu gestalten, dass Schuldenabbau in Perspektive wirklich möglich wird. Und das genau passiert. Denn dieser Pessimismus der Landesregierung hakt sich in den Köpfen der Menschen fest und die fragen sich, ob sie oder die nächste Generation dann hier überhaupt noch eine Zukunft haben. Sind wir aber erst einmal an diesem Punkt, haben wir und unser Land verloren. Deshalb ist unsere Position, dass wir gern über Schuldentilgung reden können, und zwar dann, wenn es uns trotzdem gelingt, Perspektiven in diesem Land darzustellen und Sicherheit zu vermitteln. Das hat übrigens das Land Brandenburg in der letzten Legislaturperiode gemacht. Dort hat man schon frühzeitig den Abbau der Polizei gestoppt, so viele Lehrer eingestellt, wie sie den Dienst verlassen haben und trotzdem Rücklagen gebildet und alte Schulden getilgt. Und das übrigens alles mit einem linken Finanzminister Helmut Markov.

Deshalb, liebe Genossinnen und Genossen, werden auch wir hier verantwortungsvoll mit öffentlichen Mitteln umgehen. In der nächsten Legislaturperiode wird, wenn es keine radikalen Krisen gibt, Neuverschuldung auch für uns kein Thema sein. Aber wir werden eines nicht tun und den Fehler dieser Landesregierung wiederholen, nämlich Politik auf das Erreichen von Haushaltskennziffern zu reduzieren.

Das bedeutet konkret, dass wir versuchen werden, in der nächsten Legislaturperiode den Personalabbau der jetzigen Landesregierung in wichtigen Bereichen der öffentlichen Daseinsvorsorge zu stoppen. Das betrifft das Lehrerpersonal, das jetzt schon kaum noch in der Lage ist, überall den Unterricht abzudecken. Das betrifft aber auch die Polizei, und das betrifft auch den Bereich der Hochschulen.

Warum aber liebe Genossinnen und Genossen, sage ich, wir werden es versuchen und nicht: Wir machen es?

Dies ist keineswegs eine Rücksichtnahme auf zukünftige Koalitionspartner, die ohnehin im Wahlkampf falsch wäre. Vielmehr stehen wir vor der Situation, dass eine falsche Personalpolitik des Landes Sachsen-Anhalt in den letzten zehn Jahren Spuren hinterlassen hat, die nicht von heute auf morgen zu tilgen sind. Übrigens werden sich die Spezialisten unter uns daran erinnern, dass die Landesregierung 2010 noch ein Personalentwicklungskonzept verabschiedet hat, in dem es um 800 bis 900 Neueinstellungen pro Jahr gehen sollte. Dann kamen die Wahlen, dann kam eine Koalitionsvereinbarung, deren Tragweite einige Koalitionäre an vielen Stellen bis heute nicht verstanden haben, und auf einmal stand drin, dass der Neueinstellungskorridor auf 400 reduziert wird. Und um das klar zu sagen: Versprechungen von Herrn Haseloff und Herrn Bullerjahn, was das Personal in Schule und öffentlicher Sicherheit anbelangt, hatten damals eine Halbwertzeit von drei Wochen nach der Wahl und dürften, wenn beide wieder die Chance haben, das nächste Mal genauso schnell im Papierkorb landen.

Deshalb haben wir heute ein anderes Problem: Qualifizierte Absolventen in wichtigen Bereichen der Daseinsvorsorge, ob Bildung, Soziales oder Verwaltung, gab es vor Jahren noch in ausreichender Zahl. Inzwischen hat sich das Blatt gedreht. Nicht nur das Land Brandenburg, sondern auch das Land Thüringen hat in den letzten Jahren die Einstellungszahlen bei Lehrern deutlich erhöht. Sogar das Land Sachsen zieht nach. Kürzlich betonte Herr Haseloff im Zusammenhang mit der Beschulung von Flüchtlingskindern, dass man ein Problem damit hätte, dass, so wörtlich: „der Lehrermarkt leergefegt sei.“ Dies, Herr Haseloff, ist eine interessante Erkenntnis. Sie kommt bei Ihnen nur leider einige Jahre zu spät, und richtig verinnerlicht ist sie wohl bis heute nicht. Aber eines ist schon klar, ich kann ja gern mit Bodo Ramelow mal darüber reden, dass Thüringen nicht so viel Lehrer einstellen soll wie geplant oder auch mit Christian Görke in Brandenburg, dass die sich etwas zurückhalten sollen. Aber ich befürchte, der Erfolg wird sich in engen Grenzen halten. Die waren einfach schneller. Und unsere Aufgabe wird es sein, in dieser wichtigen Frage, in der Sachsen-Anhalt mit dieser Regierung leider immer noch nicht aufgestanden ist, verlorene Jahre wieder gut zu machen. Aber das wird nicht einfach sein.

Liebe Genossinnen und Genossen, wir wissen, dass eine ausreichende Zahl von Lehrern Voraussetzung für eine gute Schule ist. Wir wissen, dass wir für öffentliche Sicherheit genug Polizisten brauchen. Wir wissen, dass ÖPNV kein Luxus, sondern für viele Voraussetzung für Teilhabe an der Gesellschaft ist. Wir wissen, dass Hochschulen gesellschaftliche Innovationskerne und Wirtschaftsmotoren sind. Wir wissen, dass ein dichtes Netz an hochwertiger Kultur Lebensqualität und Attraktivität bestimmt. Wir wissen, dass Strukturen der gesundheitlichen Versorgung für alle Menschen erreichbar sein müssen. Bei all diesen Dingen aber handelt diese Landesregierung anders: Sie setzt diese Grundvoraussetzung für die Entwicklung unseres Landes vielfach bewusst, manchmal aber sogar unabsichtlich aufs Spiel. Diese Politik gefährdet unser Land. Sie muss abgelöst werden durch eine Politik der Verlässlichkeit und der Sicherheit, und zwar durch uns, liebe Genossinnen und Genossen.

Während uns viele Menschen ihr Vertrauen entgegen bringen, wenn es um die Sicherung öffentlicher Güter und der Möglichkeit der Teilhabe aller Menschen am Leben geht, sieht das bei der Wirtschaftskompetenz leider häufig noch immer anders aus. Das empfinden wir zwar als himmelschreiende Ungerechtigkeit, und ich sage auch ganz klar, dass diese Einschätzung falsch ist, aber entscheidender ist die Einschätzung der Menschen dazu.

Der Mythos, dass CDU-Wirtschaft kann, hält sich immer noch hartnäckig, selbst dann, wenn die Zahlen der wirtschaftlichen Entwicklung unseres CDU-geführten Bundeslandes ganz klar eine andere Sprache sprechen. Und in diesem Bereich kommen wir zum größten Versagen dieser Landesregierung, gemessen an ihren eigenen Zielen. Wir haben uns einmal die wirtschaftliche Entwicklung Sachsen-Anhalts im Vergleich der anderen Bundesländer angeschaut, und zwar über einen längeren Zeitraum, seit 2005. Und da stellt man Erstaunliches fest, wenn man die Entwicklung der wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit - also des Brutto-Inlandproduktes - miteinander vergleicht. Rechnet man die Inflation heraus, hat die gesamte Bundesrepublik in diesem Zeitraum ein Wirtschaftswachstum von 11 % aufzuweisen. Dem gegenüber fallen alle ostdeutschen Bundesländer zurück. Die Länder Brandenburg, Thüringen, Sachsen und Mecklenburg-Vorpommern haben in diesem Zeitraum alle ein reales Wachstum von 7,5 bis 8,5 % realisiert. Also eine fast parallele Entwicklung genommen, allerdings unter dem Bundesdurchschnitt. Was übrigens auch für die Debatte um die zukünftige Unterstützung wirtschaftsschwacher Regionen wichtig ist, denn wir sehen, der Osten Deutschlands hat in den letzten zehn Jahren in der Wirtschaftskraft nicht aufgeholt, sondern ist zurückgefallen.

Nun kommen wir aber zu dem Land Sachsen-Anhalt und zu einem Begriff, der im Wahlkampf schon einmal sehr intensiv von der CDU verwendet worden ist, und zwar zum Begriff der roten Laterne. Und diese rote Laterne in der Wirtschaftsentwicklung hat das CDU-geführte Land Sachsen-Anhalt. Das gesamte Wirtschaftswachstum unseres Landes seit zehn Jahren beträgt sage und schreibe 2 %.

Liebe Genossinnen und Genossen, wenn unter fünf ostdeutschen Flächenländern vier Länder eine mäßig gute Entwicklung nehmen, und zwar fast parallel, von Mecklenburg-Vorpommern bis nach Sachsen, aber ein Land mit den faktisch gleichen Voraussetzungen völlig von der Wirtschaftsentwicklung abgekoppelt wird, dann stimmt etwas nicht in diesem Land, und zwar mit der Regierung nicht, die dafür verantwortlich ist. Und deshalb müssen wir mit dem Mythos der Wirtschaftskompetenz der CDU endlich brechen. Denn er ist lediglich ein Mythos und hat mit der Realität in Sachsen-Anhalt nichts, aber auch gar nichts zu tun.

Was sind aus unserer Perspektive nun die Ursachen für diesen Offenbarungseid?

Natürlich zählt dazu die langjährige Niedriglohnstrategie der Landesregierung als vermeintlich wichtiges Argument zur Ansiedlung. Während sich der jetzige Ministerpräsident schon vor der letzten Landtagswahl offiziell davon verabschiedet hat, druckte man im Zuständigkeitsbereich seines Ministeriums noch Werbebroschüren für Investoren, in denen mit niedriger Tarifbindung und einem niedrigen gewerkschaftlichen Organisationsdraht geworben wurde. Wen wundert es da, dass in der Vergangenheit viele Fördermittel in sogenannte verlängerte Werkbänke größerer Unternehmen geflossen sind, die man auch an irgendeinem anderen Ort der Welt hin verlagern kann?

Und, liebe Genossinnen und Genossen, einen solchen Ruf wird man auch nicht durch Sonntagsreden kurz vor den Wahlen los. Diese CDU-geführte Landesregierung hat jahrelang an dem Bild des Billiglohnlandes gearbeitet, und es klebt jetzt an Sachsen-Anhalt wie ein alter Kaugummi, den man nicht mehr loswird. Und was viel schlimmer ist, liebe Genossinnen und Genossen, wir sind es auch nach wie vor. Die Arbeitseinkommen in Sachsen-Anhalt sind nach wie vor nach Mecklenburg-Vorpommern die niedrigsten aller Bundesländer und das ändert sich auch nicht dadurch, dass speziell der Ministerpräsident diese Tatsache nicht wahrhaben will.

Am interessantesten ist hier übrigens, dass bei den von Herrn Haseloff beliebten Vergleichszahlen die anwachsenden Teilzeitarbeitsverhältnisse bisher einfach ignoriert wurden. Gerade die sind es aber, die bei uns besonders schlecht bezahlt werden, und gerade die sind es, die ganz häufig von Frauen besetzt werden. Hier stoßen wir übrigens auf ein interessantes Phänomen dieser Landesregierung und insbesondere des Ministerpräsidenten: Was nicht in das eigene Bild passt, wird ignoriert und als Schlechtreden des Landes disqualifiziert. Erst vor einigen Wochen erzählte mir der Hauptgeschäftsführer der IHK Magdeburg, dass er, wenn Haseloff auf die schwache Entwicklung Sachsen-Anhalt anspricht, er tatsächlich die stereotype Antwort bekommt, dass sie nur die falschen Zahlen benutzen würden. Die etwas Älteren unter uns, zu denen ich mich auch zähle, kennen vielleicht noch diese Form der Realitätsverweigerung, und wir alle wissen, welche gesellschaftliche Konsequenz diese hatte.

Warum aber halten wir diese Strategie des Billiglohnlandes für endgültig gescheitert?

Erstens: Wie ich bereits gesagt habe, sind solche Arbeitsplätze im industriellen Bereich extrem konjunkturanfällig und können durch noch billigere Arbeitsplätze irgendwo auf der Welt leicht ersetzt werden. Zweitens ist die Wertschöpfung bei solchen Arbeitsplätzen tendenziell geringer. Drittens ist das Einkommen so niedrig, dass die Binnenmarktentwicklung im Bereich von Dienstleistungen hier vor Ort nicht unterstützt wird.

Nun wird man sicher wieder hören, dass sich ja die Landesregierung auch schon längst davon verabschiedet hat und dass es inzwischen zwischen allen Parteien im Landtag zu dieser Frage einen Konsens gibt. Den gibt es auch, solange man die Landtagsreden betrachtet. Wichtiger ist aber das, was die Landesregierung wirklich tut. Und da will ich nur auf ein Beispiel hinweisen, das vor kurzem erhebliche Öffentlichkeit erregte. Da gibt es in Magdeburg eine größere Unternehmensgruppe, die sich massiv gegen gewerkschaftlichen Einfluss und einen selbstbewusst arbeitenden Betriebsrat wehrt. Das ging sogar so weit, dass ein Betriebsrat gekündigt werden sollte, weil er sich für die Rechte von Leiharbeitnehmern eingesetzt hat. Diese Kündigung wurde hier in Magdeburg vor Gericht verhandelt und ist zum Glück für rechtsungültig erklärt worden. Aber während die Unternehmensführung diesen Prozess gegen den Betriebsrat angestrebt hat, überreicht diese Landesregierung an eben dieses Unternehmen Förderschecks in Millionenhöhe für Industriearbeitsplätze, die es innerhalb dieser Unternehmensgruppe an anderer Stelle schon gab und dort möglicherweise demnächst abgebaut werden. Bei der Scheckübergabe appellierte übrigens der Ministerpräsident noch an die Unternehmensführung, aufgeschlossener gegenüber der Arbeitnehmervertretung zu sein. Die Antwort der Unternehmensführung kam postwendend. Im Klartext: Da möge sich der Ministerpräsident bitte heraushalten, es ginge ihn gar nichts an.

Liebe Genossinnen und Genossen, dies ist ein wirklicher Skandal. Denn es gibt keinen Rechtsanspruch auf Fördermittel. Und diese Landesregierung hätte die Macht gehabt vor dem Hintergrund, dass diese Unternehmensphilosophie seit langem bekannt ist, solche Probleme bei der Fördermittelvergabe zu berücksichtigen. Aber sie tut es nicht. Und wenn sie dann darum bittet, dass man es vielleicht doch etwas anders täte, bekommt sie als Dank für ihre Schecks noch eine öffentliche Ohrfeige und zieht bedeppert von dannen. Worüber, liebe Genossinnen und Genossen, soll man sich dann noch wundern?

Wir wollen eine Landesregierung führen, die überall offensiv für Flächentarife wirbt, sich für Arbeitnehmervertretungen in den Betrieben stark macht, Gewerkschaften unterstützt, um damit endlich das Etikett des Billiglohnlandes los zu werden.

Auch der Einsatz von Fördermitteln wird von uns stringent an diesen Zielen ausgerichtet werden. Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer werden auch in unserem Land selbstbewusster im Kampf um ihre Rechte, und sie verdienen eine Landesregierung, die sie darin real, und nicht nur in Sonntagsreden unterstützt.

Schaut man sich die Förderkulisse und die strategischen Ansätze der Landesregierung im Wirtschaftsbereich genauer an, fällt es einem schwer, eine wirkliche Strategie zu erkennen. Aber wer in diesem Geschäft selbst nicht lenkt, der wird gelenkt. Und dann haben diejenigen die besten Chancen, öffentliches Geld für Investitionen zu bekommen, die erst einmal die Größe haben, Fördermittel zu akquirieren, weil sie sich entweder mit genug Fachleuten durch die Bestimmungen kämpfen können bzw. das Glück haben, dass Bestimmungen eher locker angewendet werden, weil die Antragsteller möglicherweise jemanden kennen. Das ist übrigens der Grund, warum wir im Landtag zwei Parlamentarische Untersuchungsausschüsse einsetzen mussten, die sich genau mit diesen Themen auseinandersetzen.

Ja, liebe Genossinnen und Genossen, natürlich kann es bei Fördermitteln auch strittige Fälle geben. Und natürlich kann kriminelle Energie von Fördermittel-Empfängern nicht von vornherein einkalkuliert werden, erst recht nicht, wenn sie sich, wie in Dessau, in CDU-Strukturen bewegen. Was aber dieser Landesregierung definitiv vorgeworfen werden muss, ist das völlige Fehlen eines Unrechtsbewusstseins in all diesen Fällen. Für den jetzigen Ministerpräsidenten sind die versickerten Fördermillionen in Dessau Lappalien, die man doch ihm nicht zur Last legen dürfe - obwohl er politisch dafür verantwortlich war, dass diese zum Teil entgegen dem Votum der Fachleute ausgezahlt wurden. Und weder Haseloff noch Bullerjahn haben bisher auch nur einen Anflug von Reue gezeigt, dass die Mittel, die über die IBG für innovative Start-up-Unternehmen gedacht sind, millionenfach in die Schlossgruppe Neugattersleben geflossen sind, die zwar weder innovativ noch Start-up war, aber über gute Kontakte zur Landesregierung verfügte. Den Höhepunkt in dieser Reihe bildete der Auftritt des Landesvorsitzenden der CDU - ehemaliger Landrat des Ohre-Landkreises und jetzt Bauminister - zu einem Prüfbericht der Europäischen Antikorruptionsbehörde OLAF. Dort wurden nicht nur die Pressevertreter, sondern auch die Prüfer in wüster Art und Weise beschimpft. Schließlich dürfe man ihm nicht unterstellen, er hätte von irgendwas Ahnung gehabt.

Liebe Genossinnen und Genossen, was glaubt Ihr wohl, wie das alles auf die EU-Kommission wirkt? Was glaubt Ihr wohl, haben solche Sätze des Ministerpräsidenten erst vor einigen Tage, er würde alles wieder so machen, nachdem die Prüfer der EU-Kommission wieder schwere Mängel bei der Fördermittelvergabe festgestellt haben, für eine Wirkung? Was glaubt Ihr wohl, wie das in Brüssel wirkt und welche Auswirkungen ein solches Verhalten auf die dringend notwendigen Zuweisungen aus Brüssel in den nächsten Jahren haben wird? Diese Landesregierung hat mit ihrem Verhalten einen immensen Imageschaden für das Land verursacht, der uns im wahrsten Sinne des Wortes teuer zu stehen kommen kann, und damit meine ich nicht einmal die 2,5 Mio. Euro für die Frühaufsteher-Kampagne, da geht es um ganz andere Summen. Deshalb werde ich mich in den nächsten Tagen in Brüssel um Gespräche mit Vertretern der EU bemühen, um deren Perspektive zu erfahren und Möglichkeiten auszuloten, dass unser Land wieder zu einer vertrauensvollen Zusammenarbeit mit den europäischen Fördermittel-Gebern findet.

Eine der wesentlichen Ursachen für die vielen Fördermittelskandale dieser Landesregierung ist aber wie gesagt, das Fehlen einer wirklichen Entwicklungsstrategie.

Und da sage ich durchaus mit einiger Anerkennung, eine solche hat es in den letzten zehn Jahren CDU-geführte Regierung im Ansatz zwei Jahre lang durchaus gegeben. Die damalige CDU-Wissenschafts- und Wirtschaftsministerium Birgitta Wolff hat verstanden, dass zentraler Gegenstand unserer Fördermittelpolitik die Innovationsförderung sein muss. Liebe Genossinnen und Genossen, damit hier kein Missverständnis entsteht, Birgitta Wolff war eine konservative neoliberale Politikerin, aber sie war halt eine kluge und noch dazu eine Frau. Die ersten beiden Eigenschaften waren in dieser Landesregierung schon okay, aber mit den beiden letzten musste das schief gehen. Jetzt ist sie durch Herrn Möllring ersetzt. Der ist auf jeden Fall auch konservativ und neoliberal, eine Frau ist er auf jeden Fall nicht, und falls er Fähigkeiten hat, was ich jetzt nicht ausschließen kann, hat er sie bisher erfolgreich verborgen. Aber zurück zu Frau Prof. Wolff. Ihre Konzentration auf Innovationsförderung war unter den Wirtschaftsvertretern hier im Land durchaus umstritten. Von den IHK ist sie dafür nicht gelobt worden, weil der Mut zu wirklich Neuem, Zukunftsweisendem auch unter deren etablierten Vertretern nicht allumfassend ausgeprägt ist. Wenn wir jedoch zur Kenntnis nehmen müssen, dass die Zahl der Patentanmeldungen in Sachsen-Anhalt die schwächste Quote unter allen Bundesländern darstellt, gemessen an der Bevölkerung, auch schwächer als Mecklenburg-Vorpommern und Brandenburg, merken wir, dass hier durchaus Gefahr in Verzug ist. Denn die Innovationen von heute sichern die Arbeitsplätze von morgen. Und wenn Wirtschaft bei uns stehen bleibt, werden Produkte uninteressant oder lassen sich anderswo billiger herstellen, wie wir in Solar Valley gerade leidvoll erfahren durften. Auch deshalb ist es dringend notwendig, dass diese Landesregierung abgewählt wird. Denn zu dieser Orientierungslosigkeit gibt es Alternativen. Was wir benötigen, ist die Unterstützung der kleineren und mittleren Unternehmen bei uns in Sachsen-Anhalt, die vielfach überhaupt nicht die Kraft haben, neue Forschungsergebnisse in ihrem Bereich anzuwenden, weil sie dazu die Ressourcen nicht mobilisieren können. Gleichzeitig gibt es von unseren Hochschulen Absolventen, die auch in den Bereichen Technik oder auch Sozialwissenschaften durchaus in der Lage wären, konkrete Hilfe vor Ort zu leisten, wenn sie denn die Chance einer Entwicklung in den kleineren Unternehmen vor Ort haben. Viel zu lange ist auch die außeruniversitäre Forschung im Land zu stark auf große Unternehmen konzentriert worden, die ihre Konzernzentralen ohnehin weit weg von Sachsen-Anhalt haben. Diejenigen, die es wirklich brauchen, z. B. die aktuelle IT-Wirtschaft in Sachsen-Anhalt, bleiben dabei im Regen stehen. Das, liebe Genossinnen und Genossen, können und wollen wir ändern.

Frank Thiel hat als wirtschaftspolitischer Sprecher der Fraktion schon vor Jahren die These der Förderung des Wirtschaftsstandortes statt des Unternehmens als unsere zentrale Ausrichtung definiert. Nun gebe ich gern zu, so ein Satz klingt erst einmal super, was aber darunter konkret zu verstehen ist, erschließt sich jetzt nicht jedem auf Anhieb.

Allerdings habe ich vor wenigen Wochen eine sehr schöne Übersetzung dieses Satzes in einer Gesprächsrunde von Unternehmern innerhalb meiner Landestour in Bitterfeld gehört. Der Inhaber von drei Einzelhandelsgeschäften, u. a. auch eins hier in Dessau, brachte es auf den Punkt: Er sagte, an die ganzen Fördermittel kommen überwiegend nur die Großen heran. Übrigens hat er mit dieser Aussage Recht, denn 60 % der Wirtschaftsmittel, die uns der Bund zur Verfügung stellt, flossen in den letzten Jahren an ganze 20 Antragsteller. Seine Perspektive war klar, diese Fördermittel unterstützen die Großen, die in Konkurrenz zu den Kleineren stehen und machen uns das Leben schwer. Nehmen Sie lieber das ganze Geld und stecken es in eine richtige Kinderbetreuung und Ausbildung und zwar kostenlos, dann haben wir alle mehr davon, so seine Worte. Zugegeben, ich war in der Situation etwas baff. Das erwartet man ja nun nicht unbedingt in einer Runde mit Unternehmern. Aber gefreut hat es mich schon.

Nun wissen wir alle, dass solche Spielräume einer Landesregierung nur beschränkt existieren und dass auch Fördermittel durchaus im Bereich der Wirtschaftshilfe eingesetzt werden können. Aber fest steht nun einmal, der Unternehmer hatte uns verstanden. Was wir wirklich benötigen, sind die Grundlagen für eine innovative Wirtschaftsentwicklung hier bei uns im Land. Dazu gehört eine intakte bauliche Infrastruktur, dazu gehören aber auch ein intaktes soziales Umfeld, ein Kulturangebot auf hohem Niveau, Bildungsangebote, die die optimale Entwicklung jedes Kindes und Jugendlichen befördern und die attraktiv sind für Menschen, die überlegen, hierher zu kommen.

Wenn wir uns mit Unternehmerinnen und Unternehmern unterhalten, durchaus auch mit Entscheidungsträgern größerer Unternehmen, die erzählen außerhalb der offiziellen Runden immer Folgendes: Also, Investitions- und Standortentscheidungen werden über ausgeklügelte Punktevergaben vorbereitet, und dann gibt es einen Vorschlag. Der- oder diejenigen, die das entscheiden, sind im Normalfall aber ganz andere. Nämlich diejenigen, die den Betrieb entwickeln oder weiterentwickeln sollen, und deren Familien. Und ob der besagte IT-Unternehmer in Magdeburg bleibt oder nach Berlin geht oder in Zukunft aus Berlin nach Magdeburg kommt, hängt davon ab, welche Netzwerke in seinem Bereich er hier vorfindet, ob es hier qualifiziertes Personal gibt, ob es sich hier gut leben lässt, welches Bildungsangebot die Kinder bekommen und wie offen das geistige Klima in unserem Land ist. Wer Wirtschaft wirklich fördern will und nicht auf kurzfristige Effekte, sondern auf langfristige Perspektiven orientiert, der legt darauf eine viel größere Gewichtung, als es diese Landesregierung tut.

Liebe Genossinnen und Genossen, zur Ehrlichkeit gehört auch, wenn wir unsere Vorstellungen in die Debatte mit einbringen, dass wir keine Illusionen darüber verbreiten, dass Landespolitik die wirtschaftliche Situation, die sich ja ganz überwiegend im privatwirtschaftlichen Bereich abspielt, isoliert und relativ schnell verändern kann. Die Rahmenbedingungen, die wir wirklich beeinflussen können, wirken nicht sofort und nicht überall. Zwar haben wir hier in Sachsen-Anhalt im Verhältnis zu den anderen ostdeutschen Bundesländern offensichtlich wirklich besonders schlechte Rahmenbedingungen durch die Politik vorgegeben bekommen und deswegen eine besonders negative Entwicklung genommen. Schauen wir allerdings auf die anderen ostdeutschen Flächenländer, stellen wir fest, dass diese in den letzten zehn Jahren völlig unabhängig von der politischen Zusammensetzung der Regierung eine fast identische Entwicklung genommen haben. Die Gründe dafür liegen auf der Hand, nämlich, dass Landespolitik auf die wirtschaftliche Entwicklung nur sehr beschränkt direkten Einfluss ausüben kann. Es sei denn, man macht wie hier in Sachsen-Anhalt, fast alles falsch, aber das ist nun wirklich nicht unser Maßstab.

Deshalb möchte ich jetzt zu einem anderen Feld kommen, in der es eine originäre Landeszuständigkeit gibt und in der Landespolitik ganz unmittelbare Auswirkungen auf die Lebensumstände von Menschen hat. Dabei geht es mir zuerst um den Umgang des Landes Sachsen-Anhalt mit seinen Kommunen.

Der Kern dieses Verhältnisses lässt sich ganz einfach beschreiben. Aus Sicht der Landesregierung handelt es sich um das Verhältnis eines allwissenden Vaters zu seinen ungezogenen Kindern. Und wenn ich hier Vater und nicht Mutter sage, ist das diesmal kein Lapsus von mir, sondern beschreibt das patriarchale Grundverständnis dieser Regierung gegenüber den Landkreisen und Gemeinden. Und um im Bild zu bleiben, ist es außerdem noch ein stiefväterliches Verhältnis, bei dem der Verdacht besteht, dass den Kindern auch noch ihr Lebensunterhalt streitig gemacht wird.

Und damit bin ich bei dem FAG (Finanzausgleichsgesetz), das die Zuweisungen des Landes an die Kommunen im Land regelt.

Darüber haben wir in der letzten Zeit viel geredet und zu Recht geklagt. Aber erinnern wir uns noch einmal: Kaum waren die Kommunalwahlen im letzten Jahr vorbei, beschloss die Landesregierung, im Gegensatz übrigens zur Bundesregierung, die finanzielle Schraube bei den Kommunen kräftig anzuziehen. Oder sollte man vielleicht von Daumenschrauben sprechen? Finanzkürzungen im Bereich von fast 100 Mio. Euro bei den allgemeinen Zuweisungen haben jetzt unmittelbare Auswirkungen auf die Situation in Gemeinden und Landkreisen. Denn sie sind die Hauptursache bspw. der Erhöhung der Betreuungskosten im Kindertagesstättenbereich. Der Mechanismus ist ganz einfach. Zwar finanziert das Land den Ganztagsanspruch in den Kindertagesstätten und den leicht verbesserten Betreuungsschlüssel durch erhöhte Finanzzuweisungen aus dem Landeshaushalt, aber die finanziellen Mittel, die die Gemeinden bisher darüber hinaus finanziert haben, geraten jetzt durch gekürzte Finanzzuweisungen stark unter Druck. Und deswegen gibt es hier eine Tendenz, die Elternbeiträge zu erhöhen, um diese Lücke auszugleichen. Ähnliches geschieht bei Ausbaubeiträgen kommunaler Infrastruktur, wo der Fantasie von Beitragserhebungen, wie bspw. beim sogenannten Herstellungsbeitrag II, offensichtlich keine Grenzen mehr gesetzt werden. Genossinnen und Genossen, ich sage es Euch ganz ehrlich, meine Fantasie reicht bis heute nicht dafür aus, dieses System zu verstehen. Und ich befürchte, wenn ich z. B. nach Gardelegen schaue, dass das nicht nur mir so geht. Das Problem aber ist klar. Kommunen werden durch sinkende Landeszuweisungen dazu gezwungen, Angebote entweder abzubauen oder sie noch stärker von den Nutzern finanzieren zu lassen.

Die Kalkulation vor allem von der CDU an der Stelle ist relativ simpel. Der Frust der Bürgerinnen und Bürger schlägt nicht auf die Landesregierung durch, sondern trifft die kommunalen Verantwortlichen. Und so ist es auch kein Wunder, dass der Oberbürgermeister von Magdeburg bei einer Protestdemonstration gegen diese Kürzung darüber jammert, dass die Landesregierung mit ihrer Politik die Bürgermeister in die Arme der LINKEN treibt.

Warum aber machen Haseloff und Bullerjahn eine solche Politik? Sie machen sie für die eigene Erfolgsmeldung, um alte Schulden zu tilgen und Vorsorgetöpfe aufzubauen. Das ist das Ziel, für das sie bereit sind, all diese Probleme im Land zuzuspitzen. Und zwar in einer Art und Weise, die mit sozialem Gewissen und wirtschaftlicher Vernunft nichts, aber auch gar nichts zu tun hat. Denn diese Tilgung, die bereits in 100 Jahren echte Erfolge zeigen wird, ist gerade unter dem jetzigen Zinsniveau fast wirkungslos für unseren Landeshaushalt. Zumal wir jetzt wieder eine Entwicklung beobachten, dass die Reduzierung der Schulden in der Landeskasse nicht nur mit steigenden Kita-Gebühren, sondern auch mit einer steigenden Verschuldung von Kommunen erkauft wird. An der Stelle gewinnt der Prozess nicht nur den Charakter von Kurzsichtigkeit, sondern auch noch von Selbstbetrug. Was in der rechten Tasche an Schulden abgebaut wird, baut man in der linken Tasche wieder auf. Was aber viel wichtiger ist, ist die Frage nach den langfristigen Folgen einer solchen Politik. Denn, liebe Genossinnen und Genossen, steigende Kita-Gebühren lassen bei Jungfamilien schon die Frage entstehen, ob man unter diesen Bedingungen nicht vielleicht doch ganz woanders hingehen sollte oder ob die Idee mit dem zweiten Kind, vom dritten kann man kaum noch reden, wirklich so gut ist. Exemplarisch wird hier deutlich, dass mit dieser Form von Schuldentilgung die Chancen für die Entwicklung des Landes nachhaltig beschädigt werden, die wir u. a. in Zukunft auch dafür benötigen, um unsere Schulden wirklich einmal abtragen zu können.

Nun würde jetzt an der einen oder anderen Stelle ein Vertreter der Koalition daherkommen - wenn es denn dazu die Chance auf unserem Parteitag gäbe - und sagen, dass es da ja ein Programm zum Abbau kommunaler Schulden gibt. Eines der verschiedenen STARK-Programme aus dem Finanzministerium, die vor allem dazu gedacht sind, dass sich die Landesregierung und insbesondere der Finanzminister gegenüber den Kommunen im Land stark fühlen können. Und hier haben wir es tatsächlich mit einer interessanten Entwicklung zu tun. Zwar kämpft die Mehrzahl der Landkreise und Gemeinden mit einer dicken roten Zahl unterm Strich, aber die Gelder, die aus der Landeskasse in diese Richtung fließen, haben gar nicht so stark abgenommen. Denn nicht nur das Teilentschuldungsprogramm der Landesregierung, für dessen Inanspruchnahme die Kommunen ihre Teilentmündigung unterschreiben müssen, sondern auch Schulsanierung oder Zuschüsse aus EU-Mitteln für andere Projekte gibt es im erheblichen Maße. Der Unterschied besteht nur darin, dass über die Verwendung dieser Mittel nicht mehr der Kreistag oder der Gemeinderat entscheiden, sondern ein Minister dieser Landesregierung, wie bspw. bei der Schulstandortfrage über die Vergabe von Sanierungsmitteln.

Dies ist keine zufällige Entwicklung. Dahinter steht die feste Überzeugung, dass die Dinge vom ministerialen Schreibtisch ohnehin besser geregelt werden können als vor Ort. Darüber hinaus ist es übrigens ein probates Mittel, um Freundschaften zu pflegen und Abhängigkeiten zu schaffen. Wer bei der Landesregierung betteln muss, widersetzt sich politischen Vorgaben eben nicht. Das ist ein Politikstil, mit dem wir brechen müssen. Er ist nicht nur patriarchal, er hat auch eine obrigkeitsstaatliche Attitüde, die demokratisches Engagement behindert und Menschen frustriert zurücklässt. Deshalb ist es wichtig, dass wir das ändern. Deshalb ist es wichtig für uns, die politische Macht auf politischer Landesebene anzustreben.

Aber, liebe Genossinnen und Genossen, was machen wir dann mit der Macht, wenn wir sie haben? Wollen wir dann auch von unseren Schreibtischen entscheiden, weil wir der Meinung sind, die Leute vor Ort können es ohnehin nicht? Wollen wir auch Freundschaften pflegen und Abhängigkeiten organisieren oder wollen wir Vertrauen haben in demokratische Abläufe vor Ort, ja auch in die harte Auseinandersetzung in der Gemeinde und im Landkreis, selbst dann, wenn deren Ausgang ungewiss ist? Wenn wir wirklich einen anderen Politikstil hier in diesem Land wollen, dann müssen wir auch unsere Konsequenzen daraus ziehen und dann heißt es letztlich, politische Macht auf Landesebene erringen zu wollen, um sie dann wieder abzugeben in die Kommunen und in gesellschaftliche Strukturen, die wir dringend brauchen, um dieses Land zu entwickeln. Also Macht erkämpfen, um auf Macht zu verzichten.

Wir wissen alle, dass dies ein steiniger Weg sein wird und dass es Menschen geben wird, die uns wählen werden in der Hoffnung, dass wir dann durchregieren, so wie es die jetzige Regierung häufig versucht. Wer aber den Menschen hier in unserem Land wirklich vertraut und wer Vertrauen in demokratische Abläufe hat, wird erkennen, dass wir hier nur weiterkommen, wenn wir wirklich, um ein sehr altes Wort zu verwenden, „Vertrauen wagen“, nicht blauäugig, sondern in dem Wissen darum, dass der vermeintlich bequeme Ministerialerlass durch die zähe Auseinandersetzung vor Ort ersetzt wird. Deswegen halte ich es auch für richtig, Entscheidungen über Schulstandorte wirklich anhand der konkreten Situation in den Kreisen zu fällen, die z. B. ein Lehrerpotenzial vom Land gesichert bekommen, um dann selbstständig abwägen zu können, an welchen Orten eine besonders kleine Schule durch eine etwas größere Schule an einem anderen Ort ermöglicht wird.

Und ich halte auch die Überlegung, die Gemeinschaftsschulen im Sinne einer wirklichen Alternative für gemeinsames längeres Lernen durch die Akteure vor Ort entstehen zu lassen, anstatt sie aus Magdeburg zu befehlen.

Liebe Genossinnen und Genossen, wir haben uns in der Landtagsfraktion mit diesen Fragen in den letzten Jahren intensiv auseinandergesetzt, vor allem mit der Frage: Wie kann ich in Regionen mit schrumpfender Bevölkerung oder sich stark verändernder Bevölkerungsstruktur das Leben vor Ort organisieren? Uwe Köck hat uns einmal aufgeschrieben, dass es schon interessant ist, dass die Entwicklungskonzeptionen für dünn besiedelte Räume meist in den größten Städten geschrieben werden. Aber es gibt diese Patentrezepte nicht. Was es aber gibt, sind Menschen, die sich vor Ort Gedanken machen, die spezifische Lösungen entwickeln können, von denen wir außerhalb nicht einmal geträumt haben. Auch dazu sollten wir Mut haben. Ich sage allerdings ganz klar, dass wir damit nicht meinen, dass die Leute vor Ort ehrenamtlich das organisieren, was der Staat als Aufgabe finanzieren muss. Was wir aber meinen, ist, dass die Verantwortung für den Einsatz von Ressourcen stärker auf die Menschen vor Ort übertragen werden muss, damit sie sich mit der Aufgabe auch wirklich identifizieren können. Interessanterweise hört man jetzt nach dem letzten Demografie-Kongress solche Töne auch von der Landesregierung. Da fragen wir uns allerdings, warum sie vier Jahre lang eine Politik der Entmündigung und Zentralisierung organisiert haben, und wir ahnen übrigens alle gemeinsam, welche Politik diese Landesregierung auch nach der nächsten Landtagswahl fortsetzen würde, wenn wir sie nur ließen.

Dieses patriarchale Verhalten legt diese Landesregierung aber nicht nur gegenüber den Kommunen an den Tag, es ist inzwischen der dominante Politikstil im Kabinett Haseloff geworden. Mit Widerspruch können diese Kollegen definitiv nicht umgehen. Das trifft dann auch mal jemanden in den eigenen Reihen, wie z. B. die ehemalige Wirtschaftsministerin.

Im Normalfall sind es jedoch andere, die erfahren müssen, dass diese Landesregierung, wenn sie mit ihren Argumenten am Ende ist, was häufig genug geschieht, sich nicht neu positioniert, sondern die Diskussion abbricht, um durchzuregieren. Besonders deutlich wurde dies 2013 bei den Protesten gegen den von der Landesregierung vorgelegten Schrumpfhaushalt. Obwohl sich die Hochschulrektoren bspw. weitgehend fügten, kam es dann zu hörbaren Protesten von Studenten und Mitarbeitern organisiert, letztlich waren dann auch die Rektoren mit dabei. Vielleicht können sich noch einige an die Kommentare des Finanzministers erinnern, der den Protestierenden vorwarf, Egoisten zu sein, denen der Blick für das Große und Ganze fehlt. Dass die Situation genau umgekehrt gewesen ist, wissen wir zwar alle, das dürfte aber bis heute nicht Überzeugung der Landesregierung sein, denn an einem Schrumpfungskurs hält die ja weiter fest.

Und so geht es in vielen Bereichen in diesem Land. Mit Widerspruch kann man nicht umgehen, Debatten werden nicht geführt, die Dinge werden durchgestellt. Wer Fragen stellt, ist ein Meckerer, und wer meckert, der fliegt. So wie hier in Dessau-Roßlau der Bauhaus-Direktor oder der Theaterintendant, die es gewagt haben, einem ansonsten auch nicht übermäßig erfolgreichen Kultusminister zu widersprechen. Völlig unabhängig, worum es in der Sache ging, war der Fakt des selbstständigen Denkens und Aussprechens ein Skandal an sich. Wie aber soll sich ein Land entwickeln, wenn der Widerspruch von Intellektuellen, Künstlern, engagierten und fantasievollen Menschen mit einem Machtwort unterbunden wird? In einem solchen Klima gibt es keine spannenden Debatten mehr. Da kommt es auf Gefolgschaft und nicht auf Kreativität an. Aber Kreativität ist die Voraussetzung für die Entwicklung unseres Landes. Alles andere wirkt dumpf und abschreckend, alles andere verhindert Entwicklung in diesem Land.

Aber wie gehen wir damit um, wenn wir regieren und der Widerspruch möglicherweise uns trifft? Viele von Euch haben Matthias Brenner in den letzten zwei Jahren erlebt. Glaubt Ihr denn ernsthaft, der würde, wenn wir regieren, alles Klasse finden, was wir dann so veranstalten? Ich garantiere Euch, vergesst es. Und wie gehen wir dann damit um?

Vor einigen Wochen war ich mit einigen Genossen aus Dessau-Roßlau beim Oberbürgermeister der Stadt, und wir redeten darüber, dass das Kultusministerium bei den Verhandlungen zu den Theaterverträgen hat durchblicken lassen, dass man mit dem Intendanten ein substanzielles Problem hätte. Wie gesagt, etwas, womit die Landesregierung überhaupt nichts zu tun hat. Was ich in dem Gespräch mit dem Oberbürgermeister auch sagte. Darauf meinte dieser: „Naja Herr Gallert, Sie wollen ja auch Ministerpräsident werden, und würden Sie es dann gut finden, wenn man Sie so durch den Kakao ziehen würde, wie der Bücker das mit der Betteloper mit der Landesregierung gemacht hat?“ Zugegeben, ich habe einige Sekunden gezögert, und habe dann ehrlich geantwortet. „Also, wenn er das mit mir machen würde, dann würde ich das mit Sicherheit nicht gut finden. Und wahrscheinlich würde ich das auch schrecklich ungerecht finden.“ Aber, und das ist der Unterschied, ich müsste es aushalten, weil auch ein solches Mittel Teil einer Kultur der Auseinandersetzung ist, auf das man sich einstellen muss, das aber auf keinen Fall dazu führen darf, dass man versucht, solche Leute aus dem Land zu jagen. Und auch, wenn es im Augenblick wehtun mag, sich auf eine solche Kontroverse einzulassen - das ist langfristig allemal der bessere Weg, als zu versuchen, den Widerspruch mundtot zu machen.

Heute versprechen wir einen anderen Politikstil. Heute versprechen wir eine echte Alternative zum patriarchalen Politikstil dieser Landesregierung zu sein. Das bedeutet auch, dass wir im nächsten Jahr genau daran gemessen werden. Aber ich bin zuversichtlich, dass wir dieses Wahlversprechen dann auch wirklich einhalten.

Ich habe in den vergangenen Minuten über die Kultur des politischen Streites und der gesellschaftlichen Auseinandersetzung gesprochen. Dies ist aber ein Thema, was in den letzten Wochen und Monaten eine Dimension bekommen hat, die für viele von uns neu war. Wir erleben seit einigen Monaten, dass Grundwerte unseres gesellschaftlichen Zusammenlebens - sie sind mit den Worten „die Würde des Menschen ist unantastbar“ im Grundgesetz beschrieben - offensichtlich ins Wanken geraten und ganz offen in Frage gestellt werden.

Wir können jetzt gern darüber streiten, ob dies wirklich eine neue Entwicklung ist oder ob AfD, Pegida oder Magida nicht Dinge zum Ausdruck bringen, die in vielen Studien bereits seit Jahren als Einstellungsmuster in der Bevölkerung nachgewiesen wurden. Völlig unabhängig davon haben wir es auf jeden Fall mit einer neuen Situation zu tun, die dadurch gekennzeichnet ist, dass offen rassistische und menschenverachtende Parolen kein Tabu mehr darstellen, sondern an vielen Orten bereits eine solche Dominanz erreicht haben, dass es inzwischen schon Mut verlangt, offen für Menschlichkeit und Solidarität einzutreten.

Und ich sage hier unmissverständlich: Wir als LINKE stehen in dieser sich zuspitzenden gesellschaftlichen Auseinandersetzung auf der Seite von Weltoffenheit, Menschlichkeit und Solidarität, und das kompromisslos auf der Landesebene genauso wie in jeder Kommune. Keine gesellschaftliche Problemlage erlaubt es, hier Kompromisse zu machen und Verständnis für fremdenfeindliche Positionen zu zeigen.

Ich weiß, Genossen, das verlangt Mut und Stehvermögen. Nicht nur in Tröglitz, aber eben auch dort, und es kann auch sein, dass es Menschen gibt, die uns sagen, dass sie uns dann nicht wählen. Aber wenn wir an dieser Stelle weichen oder auch nur uneindeutig werden, geben wir den Kern linker Identität auf, der in der Universalität der Menschenrechte und im Kampf für soziale Gerechtigkeit für jeden besteht, egal, woher er kommt.

Natürlich ist es in diesem Zusammenhang auch wichtig, einen Blick zurück in die Geschichte zu werfen. Der ist notwendig, um zu verstehen, woher die Tabus, die bisher gegolten haben, gegenüber einer offenen rassistischen Positionierung kommen. Und sie kommen aus der Erfahrung der größten Katastrophe der menschlichen Geschichte, dem Verbrechen des Nationalsozialismus und dem damit im Zusammenhang stehenden Zweiten Weltkrieg. Rassismus ist eine Ideologie, die in Deutschland letztendlich dazu geführt hat, dass eine Industrie einzig und allein für den Massenmord aufgebaut worden ist. Und auch hier in Dessau-Roßlau wissen wir, dass wenige Kilometer vor den Toren der Stadt Giftgas produziert wurde, mit dem Millionen von Menschen ermordet worden sind, nur deshalb, weil sie Juden waren oder aus anderen Gründen nicht in das Bild der arischen Volksgemeinschaft passten. Es waren diese Erfahrung und das Wissen um die Verantwortung für diese Geschichte, die in den letzten Jahrzehnten offenen Rassismus mit einem Tabu belegt hat, was jetzt ins Wanken gerät.

Und deshalb ist es auch nicht verwunderlich, dass zum 70. Jahrestag der Befreiung vom Faschismus dieser Konsens, der erst nach den berühmten Worten von Richard von Weizsäcker hergestellt wurde, wieder ins Wanken gerät.

Natürlich kann es eine differenzierte Betrachtung unterschiedlicher Parteien der aktuellen Konflikte in Europa, speziell in Osteuropa, geben. Aber diese Differenzen nun dafür zum Anlass zu nehmen, die Leistung der Sowjetunion bei der Befreiung der Deutschen vom Faschismus zu leugnen oder auch nur klein zu reden, ist bestenfalls ein fataler Irrtum, im schlechteren Fall aber böse Absicht. Deswegen stehen für uns am 70. Jahrestag der Befreiung zwei Positionen unverrückbar fest:

  1. Es ist ein Tag der Befreiung, und dies werden wir gegen alle revisionistischen Angriffe verteidigen.
  2. Die Sowjetunion hat die Hauptlast dieser Befreiung getragen, und dafür sind wir in Dankbarkeit allen Völkern der ehemaligen Sowjetunion verbunden.

Die Geschichte ist aber nur eine Facette der jetzigen Diskussion um Weltoffenheit oder nationalistischen Dünkel. Und es ist schon erstaunlich, dass sich diese Debatte gerade im Osten Deutschlands und auch hier in Sachsen-Anhalt derartig zuspitzt. Ja, liebe Genossinnen und Genossen, es ist doch absurd, dass in einem Land, in dem der Bevölkerungsschwund und das Älterwerden der Bevölkerung als größte politische Herausforderung eingestuft werden, Zuwanderung plötzlich zum zentralen Problem gemacht wird.

Menschen kommen aus ganz unterschiedlichen Beweggründen zu uns. Sie nutzen die Freizügigkeit innerhalb der EU, wie es übrigens sehr viele Menschen aus Sachsen-Anhalt auch tun. Andere Menschen kommen bspw. aus Südostasien, um hier zu studieren, vielleicht aber auch, um hier eine Perspektive zu bekommen. Menschen kommen zu uns, weil sie aus ihrer Heimat fliehen müssen, entweder vor politischer Verfolgung, Krieg oder bitterem Elend.

Allen aber ist gemeinsam, dass sie bei uns entweder eine dauerhafte oder vorübergehende Existenz suchen, und wenn wir es gut anstellen, liegt das in ihrem und unserem Interesse.

Die entscheidende Stellschraube dabei ist die Frage: Welche Perspektiven können wir denjenigen, die zu uns kommen bieten, und damit erreichen, dass sie dieses Land in ihrem und unserem Interesse weiter entwickeln? Und wer von der Grundüberzeugung ausgeht, dass alle Menschen die gleichen Grundrechte haben, unterscheidet auch nicht nach vermeintlicher Nützlichkeit von Menschen, die zu uns kommen. Es sind die Rahmenbedingungen, die es einem Kind aus einer rumänischen Roma-Familie erleichtern oder erschweren, sich bei uns zu entwickeln. Das gleiche trifft aber auch für den syrischen Arzt oder den Kriegsflüchtling aus Nigeria zu. Auch für diejenigen, die aus der katastrophalen Situation im Kosovo geflohen sind, wofür übrigens deutsche Außenpolitik eine erhebliche Mitverantwortung trägt.

Im ersten Halbjahr 2014 war es übrigens schon so, dass in unserem Nachbarland Thüringen die Wanderungsbilanz der unter 30jährigen positiv war. Und, liebe Genossinnen und Genossen, wenn wir über Migration reden, dann reden wir über Chancen, die dieses Land dringend braucht, und deswegen ist jeder willkommen, der hier in Sachsen-Anhalt entweder dauerhaft oder vorübergehend eine Bleibe findet.

Allerdings müssen wir für diese Chance Hürden überwinden. Und diese Hürden fangen in der Politik an. Migration ist in der Bundesrepublik noch immer ein zu verwaltendes Problem und keine zu ergreifende Chance. In der Verwaltung ist immer noch der Innenminister zuständig und kein Integrations-, Sozial- oder Kultusminister. Deutsche und europäische Gesetze orientieren sich vor allem am Ziel der Verhinderung von Zuwanderung und nehmen dafür in Kauf, dass tausende Menschen jedes Jahr im Mittelmeer ertrinken. Auch dies gilt es zu erwähnen, so wie es in einem Kommentar im „Spiegel“ vor einigen Tagen stand, der diejenigen Politiker, die den Brandanschlag in Tröglitz verurteilten, Heuchelei unterstellte, da sie die Flüchtlingskatastrophen im Mittelmeer selbst organisieren. Natürlich haben wir diese Debatte auch im Land. Da gibt es einen CSU-Vorsitzenden, also Teil dieser Bundesregierung, der mit rechtspopulistischen Positionen gegen Flüchtlinge hetzt und da gibt es auch hier die Positionen, dass man ja an sich nichts gegen Ausländer habe, aber die Abschiebungen müssten natürlich sehr viel schneller laufen, und man wäre an sich auch für Einwanderung, aber natürlich nur bei Leuten, die man jetzt gerade am Arbeitsmarkt braucht.

Ich frage mich bei diesem Argument immer, was man mit diesen Menschen machen möchte, wenn man sie vielleicht nach fünf Jahren nicht mehr am Arbeitsmarkt braucht?

Deshalb ist es für uns so wichtig, dass auch die neue Ideologie der Abschottung, nämlich die Ideologie der Nützlichkeit von Menschen, von uns deutlich abgewehrt wird. Sie ist es nämlich auch, die ein erhebliches Einfallstor für rechtspopulistische Argumente bietet, denn natürlich kann eine gezielte Zuwanderung nach aktuellen Arbeitsmarktbedürfnissen sehr wohl auch so verstanden werden, dass es darum geht, am Arbeitsmarkt den Konkurrenzdruck zu erhöhen, z. B. um Tarife zu unterlaufen. Deutschland hat eine lange Tradition, soziale Konflikte hinter ethnischen Auseinandersetzungen zu verstecken. Das hat übrigens den Vorteil, dass soziale Konflikte auch nicht als soziale Konflikte geführt werden und die linke Verteilungsfrage durch Nationalismus verdrängt wird, wie wir es z. B. gerade in Frankreich erleben.

Wenn wir die Chance der Migration ergreifen wollen für die Menschen, die zu uns kommen und damit für uns alle, müssen wir noch weitere Hürden überwinden. Diese Hürden finden wir in den Köpfen quer durch alle sozialen Schichten und in allen Regionen dieses Landes. Worin besteht allerdings diese Kraft, die die Angst vor allem vermeintlich Fremden in Fremdenfeindlichkeit umschlagen lässt? Da beobachten wir das Phänomen, übrigens schon seit langer Zeit in der gesellschaftlichen Entwicklung, dass vor allem diejenigen, die ihre eigene Situation als bedroht wahrnehmen, besonders anfällig sind für Ausländerfeindlichkeit und Rassismus. Es sind nicht selten die Schwachen, die aus Angst um ihre Position die Schwächsten zum Gegner erklären. Die Angst um die eigene Perspektive, vermittelt durch einen unsicheren Arbeitsplatz, durch geringes Einkommen, durch eine sehr geringe Rentenerwartung - das sind soziale Katalysatoren für Fremdenfeindlichkeit genauso wie die Angst vor kriegerischen Auseinandersetzungen oder die geschürte Angst vor Terrorismus. Angst ist immer auch das Einfallstor für autoritäre Antworten, und Konservative haben sich dies immer erfolgreich zu Nutze gemacht. Das wissen wir, aber es ist kein Grund, das für uns zu akzeptieren. Und niemand, der sich in einer prekären Lebenssituation hier bei uns befindet, kann dies als Entschuldigung für eigenen Rassismus und Fremdenfeindlichkeit anführen.

Deshalb ist Aufklärung so extrem wichtig, gerade in diesen sozialen Gruppen. Aufklärung z. B. darüber, dass die ungerechte Verteilung zwischen oben und unten hier bei uns nichts aber auch gar nichts mit Migration, sondern mit politischen Weichenstellungen hier zu tun hat. Aufklärung darüber, dass die Rente nicht durch Zuwanderung bedroht wird, sondern durch das Aushöhlen der solidarischen Sozialversicherungssysteme und dass umgekehrt die Zuwanderung junger Menschen, wenn sie bei uns eine Entwicklungsperspektive haben, diese Rentenversicherung natürlich stabilisiert und verbessert.

Daneben bleibt es unsere Pflicht, auf Bundes- und Landesebene weiter für soziale Sicherung und sichere Arbeitsverhältnisse einzutreten. Mit unserer Bundeskampagne „Das muss drin sein“ tun wir es übrigens, um damit den Nährboden für Rassismus und Fremdenfeindlichkeit zu entziehen.

Wir sollten aber nicht den Fehler machen, zu einseitig auf die soziale Lage zu schauen. Die – aktuell veröffentlichten – höchsten Zahlen zu Ausländerfeindlichkeit finden sich nach Sachsen-Anhalt in Bayern. Diese Befunde weisen erneut auf andere Ursachen hin: Die individuelle Sicht auf die Welt und auch auf die eigene Lage, die Werte in der Erziehung und Überzeugungen aus dem sozialen Umfeld, die man kennengelernt hat und teilt, all das bestimmt ganz wesentlich darüber, ob man sich für eine autoritäre, geschlossene oder ob man sich für eine liberale, offene Gesellschaft einsetzt. Auch dafür brauchen wir den von mir eingeforderten neuen politischen Stil in Sachsen-Anhalt.

Weiter geht es darum, vor Ort Netzwerke der Integration zu organisieren. Dazu gehört übrigens auch die öffentliche Verwaltung, die sich genau wie die gesamte Gesellschaft mit der Migration verändern muss. Ich gehe nicht soweit, wie die Chefin eines Kfz-Betriebes aus Barleben, die in einer Diskussionsrunde zur Migration die These aufstellte, dass wir viele Probleme schon dadurch überwinden könnten, dass in allen EU-Ländern Englisch als Amtssprache eingeführt werden könnte. Aber mehr Kompetenzen auch im interkulturellen Bereich täten der Verwaltung auf allen Ebenen wirklich gut, und damit meine ich dann auch Bildungs- oder soziale Einrichtungen. Aber da schlagen einem schon die Vorurteile entgegen. In einem Gespräch mit der Verantwortlichen für diesen Bereich aus einem benachbarten Landkreis kam zu dieser Frage sofort die Antwort: „Wir sind hier in Deutschland und hier wird deutsch gesprochen.“ Ich will das nicht weiter kommentieren, stellte mir aber für einige wenige Sekunden vor, dass sie selbst einmal in die Situation kommen würde, in der sich die Menschen befinden, für die sie jetzt verantwortlich ist.

Integration heißt in diesem Zusammenhang auch, gemeinsames Leben vor Ort zu ermöglichen. Und deswegen kämpfen wir natürlich dafür, die dezentrale Unterbringung für Flüchtlinge auch unter den jetzigen Bedingungen anzustreben. Übrigens ist interessant, dass ausgerechnet diejenigen, die immer vehement vor Parallelgesellschaften von Migranten warnen, keine Probleme mit Gemeinschaftsunterkünften haben, die möglichst weit weg von Ortschaften liegen.

Aber zur Integration gehört mehr. Wir brauchen ein professionelles Netz von Menschen, die die soziale Begleitung von Flüchtlingen organisieren, den Zugang zu Bildungseinrichtungen und Arbeitsmarkt öffnen und die die vielen ehrenamtlichen Helferinnen und Helfer, die es jetzt in größerer Zahl gibt, koordinieren und unterstützen. Die Soziallotsen der Landesregierung sind dazu durchaus eine gute Idee. Allerdings darf diese Arbeit nicht an Ehrenämter mit einer Aufwandsentschädigung mit 150 Euro abgeschoben werden, wie es offensichtlich jetzt der Plan ist. Diese Ehrenamtler brauchen wir in den Sportvereinen, bei der Volkssolidarität und als Unterstützer in den Jugendzentren. Integration ist eine anspruchsvolle Aufgabe, und sie muss professionell organisiert und koordiniert werden.

Insofern ist klar, dass wir für diese gesamtgesellschaftliche Aufgabe schnellstens eine gesetzliche Regelung für die Kostenübernahme erst durch das Land und dann durch den Bund anstreben.

Liebe Genossinnen und Genossen, wir werden in diesem Bereich nicht die Konfrontation mit unseren politischen Konkurrenten, insbesondere der CDU, suchen. Dort, wo CDU-Verantwortungsträger sich dieser Aufgabe stellen, werden wir sie unterstützen und auch gegen Angriffe verteidigen. Dort, wo aber den Migranten alleinig die Verantwortung für zu gelingende Migration zugeschrieben wird und daneben Abwehrargumente überwiegen, wie im jetzigen Positionspapier der Landes-CDU, werden wir die Auseinandersetzung führen. Und, liebe Genossinnen und Genossen, trotz der dramatischen und erschreckenden Entwicklung von Rassismus und Fremdenfeindlichkeit in den letzten Monaten können wir konstatieren, dass auch die Anhänger von Weltoffenheit, Menschlichkeit und Solidarität mutiger und lauter werden. Deswegen bin ich optimistisch, dass wir die Auseinandersetzung um den Charakter unserer Gesellschaft, die sich jetzt an der Gestaltung oder Abwehr von Migration entwickelt, in unserem Sinne gewinnen können. Und deswegen ist es legitim, diese Frage in die politische Auseinandersetzung mit Rechtspopulisten und Rechtsextremisten genauso wie mit denjenigen, die in den anderen Parteien solche Parolen vertreten, in den Wahlkampf einzubeziehen.

Liebe Genossinnen und Genossen, ich weiß, ich habe lange geredet, aber eigentlich nur über vier Punkte: Öffentliche Daseinsvorsorge, Wirtschaft, Politikstil und Migration. Zu vielen Themen bin ich heute leider noch nicht gekommen, die eine wichtige Rolle in unserem Landeswahlprogramm spielen werden. Da sind wir jetzt mitten in der Diskussion, und ich garantiere Euch, es wird das beste und längste Wahlprogramm, was wir je in unserem Land hatten.

Wir wissen aber auch, dass im Wahlkampf nicht nur die Inhalte wichtig sind, sondern mindestens genauso die Art und Weise unseres Auftretens. Und da sind mir zwei Begriffe so wichtig, dass ich sie hier noch einmal erwähnen werde: Handlungsfähigkeit und Optimismus.

Mit Handlungsfähigkeit meine ich, dass wir gemeinsam die Positionen vertreten, auf die wir uns in den Beschlüssen geeinigt haben. Auch dann, wenn es zu einer Reihe von Fragen inhaltliche Diskussionen geben wird. Dazu zählt aber auch, dass uns die Menschen als gemeinsam handlungsfähig wahrnehmen, und wir können unseren politischen Gegnern keinen größeren Gefallen tun, als interne Streitigkeiten, ob inhaltlicher oder personeller Art, in die Öffentlichkeit zu ziehen. Damit haben unsere sächsischen Genossen keine guten Erfahrungen gemacht, und wenn sich der Oberbürgermeister von Magdeburg kurz nach der Wahl von Katrin Budde zur Ministerpräsidenten-Kandidatin der SPD öffentlich darüber auslässt, dass die SPD keine Kompetenzen im Bereich von Wirtschaft und Arbeit hat, können wir unseren Teil darüber denken, aber zum Vorbild sollten wir uns das nicht nehmen.

Und dann komme ich zum letzten Punkt: Optimismus. Eine Eigenschaft, die uns nun nicht in jeder Situation im Übermaß mitgegeben ist. Aber, liebe Genossinnen und Genossen, es gibt in diesem Land eine Chance für den politischen Wechsel. Es gibt die Möglichkeit, die weit verbreitete Unzufriedenheit in eine Wechselstimmung zu führen, und ich spüre in den letzten Wochen, dass es eine bemerkenswerte Bereitschaft in der Gesellschaft gibt, sich mit dem Gedanken an einen politischen Wechsel anzufreunden.

Meine Bitte ist es, dass auch wir diesen Optimismus ausstrahlen. Denn das ist eine der ganz wesentlichen Ursachen für den Wahlerfolg in Thüringen. Wir haben dort daran geglaubt und vermittelt, den Bock umstoßen zu können, und weil wir das in Thüringen ausgestrahlt haben, glaubten es uns die Menschen und sie haben uns dafür gewählt.

Die Frage, die vor uns steht lautet: Sind wir, beginnend mit dem heutigen Tag, bereit und in der Lage, diesen Optimismus für einen politischen Wechsel in die Auseinandersetzung des nächsten Jahres hineinzutragen?

Ich verspreche Euch, ich werde alles dafür tun, was mir möglich ist, um das Ziel zu erreichen. Wir wollen diese Landesregierung in Sachsen-Anhalt führen und ich werde die Auseinandersetzung, wenn Ihr mir die Möglichkeit gebt, mit Reiner Haseloff und auch mit Katrin Budde führen. Ich freue mich darauf, mit Euch gemeinsam für unsere politischen Alternativen zu streiten.


Dessau-Roßlau, 18. April 2015

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