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„Allzu große Erwartungen erfüllen sich im Gerichtssaal nicht“

Unsere vierte und letzte Begleitveranstaltung erlaubte uns eine Rundreise durch das Münchener Oberlandesgericht. Hier wird seit mehr als 100 Tagen der Prozess gegen Beate Zschäpe, Ralf Wohlleben, André Emminger, Holger Gerlach und Carsten Schulze wegen Mitgliedschaft und Unterstützung des NSU geführt. Auf diese Reise mitgenommen hat uns der Journalist und Mitarbeiter des Projektes www.nsu-watch.info Friedrich Burschel.

Sein Einstieg viel ernüchternd aus: Nicht nur, dass sich keine allzu großen Erwartungen im Gerichtssaal erfüllen werden, es „bleiben auch viele Fragezeichen unaufgelöst.“ Und das obwohl Burschel der Nebenklagevertretung zum Teil exzellente Arbeit bescheinigt. Vielmehr hängt dies seiner Ansicht nach damit zusammen, dass die Generalbundesanwaltschaft immer wieder dann massiv in den Prozess interveniert, wenn es darum geht „die Verstrickungen der Geheimdienste zu beleuchten.“ Eine Ausnahme bisher stellt die intensive Befragung des hessischen Verfassungsschutzmitarbeiters Andre Temme dar, der beim Mord an Halit Yozgat 2006 in Kassel am Tatort war, dessen Rolle aber noch immer nicht geklärt werden konnte.
 
Darüber hinaus „scheint das Interesse am Prozess außerhalb des Gerichts nachzulassen“, so seine Wahrnehmung. Der Gerichtssaal selbst ist hingegen weiterhin gut besucht. Neben etwa 50 Journalist_innen und weiteren Besucher_innen finden sich immer wieder auch Neonazis auf dem Zuschauerrang ein, die - z.B. mit entsprechenden T-Shirts - ihre Solidarität mit einzelnen Angeklagten bekunden. Laut Burschel steht dabei für die bundesdeutsche Neonaziszene Ralf Wohlleben im Fokus der Unterstützung.

Medial hingegen omnipräsent ist die Hauptangeklagte Beate Zschäpe und dies nicht nur – wenn auch viel zu oft – aufgrund ihres Auftretens und Präsentierens vor Gericht. Bisher hat Zschäpe im Prozess nämlich noch keinerlei Angaben zu den gegen sie erhobenen Vorwürfen gemacht. Ob das zur Strategie ihrer Anwälte Herr, Sturm und Stahl gehört wird dabei allerdings nicht deutlich. Viel zu häufig unterlaufen den drei Anwälten eklatante Mängel. „Sie sind als Tiger in den Prozess gestartet und als juristische Bettvorleger geendet“, so der Kommentar des Prozessbeobachters Burschel.

Der Vorsitzende Richter Manfred Götzl mache hingegen durchaus den Eindruck, „dass er viel an dem NSU aufklären will“, dieser „gleichzeitig aber unter starkem Druck der Bundesanwaltschaft steht.“ Wie sich der Prozess weiterentwickelt lässt sich also nicht voraussehen. Unabhängig davon „muss die Debatte um gesellschaftlichen und institutionellen Rassismus weiter verstärkt geführt werden“, so Burschel. Darüber hinaus wurde in seinem Fazit deutlich, dass der Verfassungsschutz mit einem erweiterten Aufgabengebiet, ausgebauten Kompetenzen und neuem Personal eher gestärkt aus dem NSU-Komplex hervorgegangen ist. „Dem Verfassungsschutz konnte scheinbar nichts Besseres passieren als der NSU. Dabei wäre die Abschaffung dieses Inlandsgeheimdienstes die einzig richtige Konsequenz gewesen.“ Dieser Ansicht kann sich die Fraktion DIE LINKE nur anschließen.