Diese Website verwendet Cookies. Warum wir Cookies einsetzen und wie Sie diese deaktivieren können, erfahren Sie unter Datenschutz.
Zum Hauptinhalt springen

Gesundheitsversorgung nicht den Marktmechanismen überlassen

Die Fraktion DIE LINKE lud zu einer Fachkonferenz zur Zukunft der Krankenhausversorgung

„Wir wollen an einem Konzept für die Krankenhauslandschaft in Sachsen-Anhalt arbeiten, das weg von der zunehmenden Konkurrenz um Gelder und Ressourcen hin zu einer stringenten Planung gelangt, die sich an den tatsächlichen Bedarfen der Menschen hier im Lande orientiert“, so unsere gesundheitspolitische Sprecherin Dagmar Zoschke. Ebenso wie in anderen Flächenländern wurde die Zahl der Krankenhäuser und Krankenhausstandorte in Sachsen-Anhalt in den vergangenen Jahren deutlich reduziert. Eine schrumpfende Bevölkerung und kürzere Liegezeiten hatten die alte Struktur unrentabel gemacht. Wie vor dem Hintergrund des demographischen Wandels eine Gestaltung der Krankenhauslandschaft in Sachsen-Anhalt möglich ist, die auf eine gute Gesundheitsversorgung für alle abzielt, war die Kernfrage einer Fachkonferenz der Fraktion DIE LINKE im Magdeburger Landtag. Über 70 Teilnehmer_innen – darunter Ärzt_innen, Pflegekräfte, Vertreter_innen der Krankenkassen, Sozialverbände und insbesondere Vertreter_innen der Krankenhäuser waren der Einladung zur Diskussion linker Ansätze zur Zukunft der Krankenhausversorgung in Sachsen-Anhalt gefolgt.

Ohne Frage werden auch in den kommenden Jahren Veränderungen in der Krankenhauslandschaft unumgänglich bleiben. Denkbar sind einzelne Fusionen im ländlichen Raum, Kooperationen in den Oberzentren, bedarfsorientierte Spezialisierungen in den Kliniken oder die Umwandlung von Krankenhäusern in medizinische Versorgungszentren. Diese Prozesse – das zeigt uns mahnend das niedersächsische Beispiel – seien in der Praxis nicht von ausreichenden Planungen begleitet, kritisierte Dagmar Zoschke. Der Diskurs zur Zukunft der Krankenhausversorgung muss letztlich immer vor dem Hintergrund gespiegelt werden, dass die Kliniken auch als Standortfaktor bei der Frage der Wohnortwahl eine wichtige Rolle spielen und sie zumeist der größte Arbeitgeber vor Ort sind. Die Logik: sinkende Bevölkerungszahlen = abnehmende Infrastruktur / abnehmende Infrastruktur = sinkende Bevölkerungszahlen gilt es für DIE LINKE zu durchbrechen.

„Die Strukturen im Gesundheitswesen in Deutschland sind nicht gesund“, meinte auch Anita Tack, ehemalige Ministerin der LINKEN für Umwelt, Gesundheit und Verbraucherschutz in Brandenburg. Anhand von Praxisbeispielen zeigte sie auf, welchen Weg ihr Bundesland für den Erhalt von Krankenhausstandorten im ländlichen Raum geht – maßgeblich angestoßen während ihrer Amtszeit. So legten regionale Gesundheitskonferenzen zunächst den Grundstock für die Ausarbeitung eines inzwischen in Umsetzung befindlichen Konzepts zur gesundheitlichen Versorgung. Neben den Akteur_innen der Gesundheitsdienstleister war es wichtig, hierbei auch die kommunalen Spitzenverbände einzubeziehen. Die Krankenhausfinanzierung wurde in Brandenburg Anfang dieses Jahres auf eine ausschließliche Pauschalfinanzierung umgestellt, wodurch die Krankenhäuser einerseits mehr Planungssicherheit erhalten und andererseits die Aufwände und Kosten der bürokratischen Antrags- und Prüfverfahren für die Einzelfallförderung entfallen. Zudem finden unterschiedliche gesundheitspolitische Modelle Anwendung. Dazu gehören unter anderem Gemeinschaftspraxen, das Konzept der „Gemeindeschwester Agnes“ sowie ein ausgebautes Telemedizinnetz. Ein Beispiel für Kooperationen gegen den Landarztmangel lässt sich unter anderem im Landkreis Prignitz finden, wo ein angestellter Krankenhausarzt tageweise Sprechstunden in benachbarten Städten und Gemeinden abhält.

Welchen Weg man hingegen im niedersächsischen Einbeck ging, erläuterte Dr. med. Olaf Städtler, der medizinische Geschäftsführer des Einbecker Bürgerspitals. Die endgültige Schließung des seit 1970 bestehenden Krankenhauses konnte im vergangenen Jahr verhindert werden, als sich Mitarbeiter_innen des Krankenhauses und Einwohner_innen des Ortes entschlossen, die Klinik in eine gGmbH umzuwandeln und sich selbst als Gesellschafter zu engagieren. Das ursprünglich kommunale Krankenhaus vollzog nach finanziellen Schwierigkeiten mehrere Trägerwechsel. Der letzte Träger, die AWO-Krankenhaus gGmbH Sachsen-Anhalt, hatte schließlich Ende 2012 den Konkurs der Klinik angemeldet. 45 000 Menschen im Einzugsgebiet wären damals von einer Schließung betroffen gewesen. Mit dem Einbecker Bürgerspital konnte zudem das Ende des größten Ausbildungsbetriebes vor Ort verhindert werden, darüber hinaus der Wegfall der Kaufkraft, der Attraktivitätsverlust für Fachkräfte sowie die Abwanderung der kassenärztlichen Notfallambulanz. „Ein Erfolgsrezept war, dass wir uns betriebswirtschaftliches Know-How geholt haben, damit wären Ärzte überfordert gewesen“, so Städtler. Den finanziellen Grundstock legten einerseits die Bürger_innen des Ortes mit insgesamt einer halben Million Euro an Spenden, andererseits die Belegschaft über einen achtprozentigen Gehaltsverzicht. Es ist derzeit unklar, ob und in welchem Umfang dieser Tarifverzicht in den Tarifverhandlungen 2015 wieder rückgängig gemacht werden kann.

Linke Positionen in der Gesundheitspolitik auf Bundesebene und einen anschaulichen Überblick über die Gesamtentwicklung der Krankenhäuser brachte der gesundheitspolitische Sprecher der Bundestagsfraktion Harald Weinberg in die Fachkonferenz ein. „Wir haben derzeit eine Drittelung in der Trägerschaft: ein Drittel kommunale, ein Drittel freie-gemeinnützige und ein Drittel private Träger“. Im bestehenden Finanzierungssystem gerieten dabei gerade die kommunalen Träger unter enormen Druck. Ohne einschneidende Änderungen – die mutmaßlich leider auch nicht von der Bund-Länder-Arbeitsgruppe zur Neustrukturierung der Krankenhausfinanzierung zu erwarten ist – wird der Privatisierungskurs in der Krankenhauslandschaft kaum aufhaltbar sein. Besonders drastisch ist die Entwicklung beim Krankenhauspersonal. Während unter dem ärztlichen Personal aus unterschiedlichen Gründen die Anzahl gestiegen ist, hat beim Pflegepersonal, trotz steigender Fallzahlen, ein drastischer Personalabbau stattgefunden. „Eigentlich ist schon jetzt der Zustand unhaltbar geworden. Nur der Berufsethos der Pflegekräfte hält Vieles noch aufrecht.“ So Harald Weinberg.

Protagonisten einer abschließenden Podiumsdiskussion zur Zukunft der Krankenhausversorgung in Sachsen-Anhalt waren der Vorsitzende der Krankenhausgesellschaft Sachsen-Anhalt Prof. Dr. med. Wolfgang Schütte sowie der Leiter der Landesvertretung der Techniker Krankenkasse Sachsen-Anhalt Jens Hennicke. Einigkeit bestand in der Einschätzung, dass die Landemittel für Investitionen derzeit völlig unzureichend sind. Ein Konsens bestand zudem in der Einsicht, dass die Sektorengrenzen zwischen stationärer und ambulanter Versorgung geöffnet werden müssen, wenngleich die genaue Umsetzung noch strittige Punkte enthält. Als wichtiger Zukunftsfaktor rückte die Personal- und Einkommensentwicklung in den Krankenhäusern in den Fokus. So brachte sich unter anderem ein Personalratsvertreter der Uniklinik Magdeburg in die Diskussion ein und verwies auf die Notwendigkeit, den Pflegeberuf durch bessere Bezahlung und – sogar noch bedeutender – über einen besseren Personalschlüssel attraktiver zu machen. Für einen Flächentarif nach dem Maßstab des öffentlichen Dienstes und eine starke gewerkschaftliche Vertretung des Pflegepersonals plädierte auch unser Fraktionsvorsitzender Wulf Gallert in seinem Schlusswort zur Fachkonferenz. Grundlegender Konsens müsse zudem sein, dass Gesundheits- und Krankenhausversorgung kein Bereich sein darf, der allein den Marktmechanismen überlassen wird.